Marusjas Vorliebe für ihren späteren Beruf als Heilgehilfin äußerte sich vorerst noch in einer sehr primitiven Form. Es machte mir eine besondere Freude, in sauberer weißer Schürze, in einem weißen Kittel herumzuwirtschaften, erklärt sie uns lächelnd. Aber was sie vor allem lernte, als Vollwaise, in mehreren Kinderheimen, das war: ein gutes tätiges und freundliches Verhältnis zu Menschen zu gewinnen, sich in jeder Situation zurechtzufinden und eine Gruppe von Menschen zu einer gewissen Arbeit zusammenzufassen.
Dieses ihr besonders eigene Organisationstalent, von frühster Jugend geweckt und geübt in all den Kinderheimen, war entscheidend für ihre große erfolgreiche Leistung während des 6. und 7. Oktober 1941. In jenen Tagen, im Brennpunkt der gigantischen Schlacht um Moskau, rettete die kleine tatarische Feldscherin über sechzig Schwerverwundete aus einem brennenden Lazarettzug. Sie brachte unter dem Bombenregen der deutschen Stukas die Verwundeten während des Tages am Bahndamm in Sicherheit. Sie setzte in der Dämmerung die Leichtverwundeten in Marsch, nachdem sie in dem Wirrwarr der in nächster Nähe tobenden Schlacht die Abmarschmöglichkeit erkundet hatte. Sie trieb in stockfinsterer Nacht, im Wirbel der Truppenbewegungen, zwei Lastautos auf, brachte diese zu dem noch brennenden Zug, half selbst ihre sechzig Schwerverwundeten auf die Automobile umbetten und brachte dann alle bis auf den Letzten zu dem rückwärtigen Sanitätsbataillon nach Gshatsk. Wenn etwas wirklich durchgeführt werden musste, so wurde es auch durchgeführt, erklärt sie, auch manche Sachen in den Kinderheimen an der Wolga waren nicht einfach, aber wir haben gelernt, uns in jeder Situation zurechtzufinden.
Und noch ein zweites. Die Kämpfer der Roten Armee sind ihre Kinder, ihre Brüder. Alle nennen sie Schwesterchen. Ich glaube, das bezieht sich nicht so sehr auf ihren Beruf als Krankenschwester als vielmehr auf ihr Verhältnis, das sie zu den Menschen hat. Als sie spät am 8. Oktober die von ihr geretteten sechzig Schwerverwundeten dem Lazarettzug in Gshatsk zum Weitertransport übergab, da musste sie plötzlich weinen. Es war mir so, als müsste ich meine Kinder hergeben. Sonst hat sie immer die Verwundeten getröstet. Jetzt mussten die Verwundeten sie trösten.
Das ist Marusja, die tatarische Feldscherin der Roten Armee. Sie ist wie ein gedrungener kraftgeladener Panzer, der jedes Hindernis überrennt. Sie ist zugleich ein gutes, gefühlvolles Mädel, dem die Tränen kommen, wenn sie ihre Verwundeten verlassen muss.