münzer: nun liegt aber klar am Tage, dass Christus, der zarte Sohn Gottes, dieser Welt erscheinet wie eine Vogelscheuch oder ein gemaltes Männlein. Und ist doch der wahre Stein, der ohne Menschen Hände vom Berge gerissen ward, da die Hauptknechtschaft im Schwange war. Da haben sie also den Geist Christi zu einem Spottvogel gemacht, bis er ein hölzerner Götze geworden ist und ein Schanddeckel der Welt. Solch Holz- und Erzbilder aber gabs schon ehedem. War da vor mehr denn tausend Jahren der König Nebukadnezar, der hatte einen Traum von einer gewaltigen Bildsäule aus Gold, Silber, Eisen und Ton. Doch kein Wahrsager konnte den Traum deuten; und kam man auf Daniel, den Propheten. Der machte es sich gar sauer. So sollt auch heut der Mensch zur Offenbarung Gottes einen ernsten Mut zur Wahrheit tragen. Dabei wird der Mensch finden, dass er mit dem Kopf nit sogleich durch den Himmel rennen kann, dass er das innerliche Wort erst mit Schmerzen hervorbringen muss wie eine Gebärerin. Denn auch Gott muss erst geboren werden im Menschen. Dies nun sehen die Buchstabenanbeter nit, die aus dem Wittenberger Futtertrog fressen wie Bruder Mastschwein, der gegen mich grunzet. Auch damals verstandens die Zeichendeuter nit. Daniel aber sah der Bildsäule golden Haupt, das war das Reich Babylon, die silberne Brust das Meder- und Perserreich, das dritte und vierte aus Eisen war das der Griechen und Römer; das fünfte aber, das wir jetzt vor Augen haben, ist aus Ton und Kot gemengt, darin sich Aale und Schlangen verunkeuschen auf einem Haufen
Der Herzog wendet seinen Kopf unwillig zum Kanzler, der indessen Münzer sorgfältig beobachtet.
münzer lebhafter: Die Pfaffen und alle bösen Geistlichen sind nun die Schlangen, so wie sie Johannes der Täufer nennet; die weltlichen Herren und Regenten aber sind die Aale und haben das Reich mit Ton beschmieret. Ach, liebe Herren, wie hübsch wird da der Herr unter die alten Töpf schmeißen mit seiner eisernen Stang!
Der Kurprinz ist aufgesprungen. Der Herzog wendet sich erneut zum Kanzler; der gibt beiden ein Zeichen auszuharren. Der Kurprinz setzt sich wieder, schaut jedoch geflissentlich nach links zum Kirchenfenster.
münzer unbeirrt: Darum ihr teuersten liebsten Regenten, lasst euch von Bruder Leisetritt nit verführen mit heuchlerischer Geduld. Der Stein, ohn Hände vom Berg gerissen, ist wahrhaft gewaltig geworden. Die armen Leut und Bauern sehen ihn viel schärfer denn ihr. Er wird auf die Bildsäul niederrollen und sie zerschmettern. Ihr aber, teure Regenten, ihr müsst es wagen um des Evangeli willen, oder Gott wird euch stäupen, so, wie er seine allerliebsten Söhne züchtiget. Hat doch auch Christus mit großem Ernst befohlen: Nehmet meine Feinde und würget sie! Denn ein Gottloser hat kein Recht zu leben, so er die Frommen behindert. Ihr teuren Väter von Sachsen, dass dies aber redlich geschehe, sollen unsre Fürsten dies tun, die Christum mit uns bekennen. Wo nicht, wird ihnen das Schwert genommen werden! Denn sie bezeugen
Der Herzog ist geräuschvoll aufgestanden und verlässt polternd mit dem Kurprinzen und dem Kanzler die Kapelle. Der Amtmann will folgen, bleibt jedoch ratlos stehen.
Münzer mit erhobener Stimme: Denn sie bezeugen Gott bloß mit hohlen Worten, doch leugnen ihn mit der Tat!
amtmann vorstürzend: Seid Ihr des Teufels, Pfarrer! Wie konntet Ihr den Herzog kränken?
münzer mehr für sich: Wen Gottes Wort kränket, der kann nit zum Verbündnis gehören.
amtmann: Was fabelt Ihr? Der Herzog in Eurem Verbündnis?
münzer: Warum sollt er nit unter Gottes Wort treten so wie der Bauer und Bergknappe?
Von links kommt eiligst der Kanzler.
Kanzler: Herr Amtmann, es heißt, am Schlosstor rotte sich Allstedter Volk.