Natürlich interessierte mich das Schicksal meiner Landsleute. So stieg ich gleich auf den ersten Schlitten, auf dem bereits ein Feldscher und die alte Regimentsärztin mit zwei der deutschen Soldaten saßen. Während nun der eine Deutsche, ein schon älterer Mann, das russische Brot in Stücke brach, zwischen den Händen erwärmte und zu kleinen Kugeln klumpte, bevor er es in den Mund steckte, starrte der andere ein junger Bartloser mit leeren Augen vor sich hin. Er antwortete auch nicht auf meine Fragen, während ich mit dem Älteren nach kurzer Zeit ins Sprechen kam. Plötzlich sehe ich, wie der Jüngere sich selbst mehrmals ins Gesicht schlägt und dazu immer wieder das mysteriöse Wort ausstößt: Spätzündung! Spätzündung!
Was soll das? Hat der Junge infolge der letzten furchtbaren Erlebnisse den Verstand verloren? In unregelmäßigen Abständen ohrfeigt er sich und stößt immer wieder dies eine Wort hervor.
Auch meine russische Kollegin ist der Meinung, dass es sich hier um eine traumatische Psychose handelt. Beim nächsten Halt nehme ich den älteren Soldaten mit auf einen anderen Schlitten, um ruhig mit ihm über den Jungen reden zu können. Aber auch er kann mir nur sagen, dass der Junge die letzten Tage wohl immer stiller und verschlossener geworden sei, dass aber diese Ohrfeigerei erst jetzt begonnen habe. Mehr ist nicht zu ermitteln.
Am Abend, als die Schlittenkolonne heißes Wasser für die Mannschaft und etwas Heu und Stroh für die Pferde bei einer Krankensammelstelle fasst, übergeben wir die erkrankten und entkräfteten deutschen Soldaten dort dem Kommando. Ich suche noch einmal den Jungen auf, der offenbar in einer Wahnvorstellung sich mit dem merkwürdigen Wort Spätzündung geohrfeigt hatte. Du musst jetzt trinken, essen und dich waschen!, sage ich zu ihm, indem ich seinen Kopf hebe. Er schaut mich aufmerksam an. Als ich gehen will, hält er meine Hand fest und fragt: Wirklich Brot?
Du kannst es essen, es ist nicht vergiftet, rede ich ihm zu.
Ich weiß. Das ist es ja nicht Und plötzlich, als müsse er sich entlasten, rast er mir meine beiden Hände ergreifend und an sich ziehend eine seltsame Geschichte herunter. Ich muss mich zu ihm setzen, um in dem Lärm des mit Kranken, Fahrern und sowjetischen Soldaten überfüllten Raumes seine hingehasteten Sätze verstehen zu können.