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Der Steppenbrand. Purzel findet Paolo Dreibein von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
29.10.2024
ISBN:
978-3-68912-361-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 31 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Action und Abenteuer/Allgemein, Kinder-und Jugendbuch/Kurzgeschichten, Kinder-und Jugendbuch/Leser/Anfänger
Kinder/Jugendliche: Romane, Erzählungen, Tatsachenberichte, Kinder/Jugendliche: Natur- und Tiergeschichten, Kinder/Jugendliche: Kurzgeschichten
Abenteuer, Freiheit, Freundschaft, Gefahr, Gemeinschaft, Heldentum, Wolfshund, Mut, Nandu, Natur, Rettung, Selbstvertrauen, Steppenbrand, Steppenhase, Tiere, Treue, Überleben, Vertrauen, Wildnis, Zusammenhalt
6 - 9 Jahre
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Zwei Wochen lang hatte Lux, der Wolfshund, seinem Kameraden Purzel, der spurlos verschwunden war, in lang gezogenem Geheul nachgetrauert. Als aber die volle Mondscheibe immer schmaler wurde und schließlich in der dunklen Nacht nur noch als eine haardünne, kaum mehr sichtbare Sichel am Himmel stand, da ließ Lux sein einsames Trauern und begab sich wieder zu seinen Jagdgesellen, den wilden Steppenwölfen.

Wo aber war Purzel geblieben? Verschwindet doch kein Wesen völlig von der Erde, erst recht nicht, wenn es soviel erlebt hat wie unser Häschen Purzel.

Ja, Purzel war in jener Vollmondnacht in die weite Steppe gelaufen. Ihm war sehr traurig zumute, weil es seinen Kameraden verlassen musste. Es hopste eilig dem Vollmond entgegen, indem es seinen eigenen Schatten hinter sich ließ, so, als könne es auf diese Weise sich selbst entfliehen. Das ging ein paar Stunden. Dann versank der Mond am Steppenrand und Purzel begann zu frieren; es grub sich an einer sandigen Stelle eine Kuhle; es wünschte nie wieder aufzuwachen. Aber plötzlich war es ihm, als liefen lauter Ameisen in seine Nasenlöcher; es holte tief Luft, und dann musste es so gewaltig niesen, dass der Sand in der Kuhle gen Himmel stäubte und es selbst aufwachte. Was war? Rollte da Feuer auf es zu? Brannte die Steppe? Nein, es war die Sonne, die als riesiger, glühender Ball über den Horizont kam und Purzel mit ihren ersten warmen Strahlen wachgekitzelt hatte.

„Ach, ist das Leben gut und schön!“, sprach Purzel leise für sich.

Doch sogleich fiel es wieder in Traurigkeit. Denn es hatte sich an Lux, seinen großen Kameraden, so gewöhnt wie der kleine Zeiger der Uhr an den großen Zeiger.

 

Nun, wer das Häschen Purzel kennt, der weiß, dass es keineswegs ein „Hasenfuߓ war, wie die Menschen oft verächtlich die Feiglinge zu nennen belieben; vielmehr hatte Purzel mehr Mut wie mancher der Männer mit breiter, behaarter Brust. Es nahm also seine ganze Kraft zusammen, sprang in die Höhe, schlug einen seiner kühnen Purzelbäume, wobei es wieder auf seinem Stummelschwänzchen landete. Und jetzt sah die Welt schon anders aus. Die Sonne hatte sich am Himmel erhoben; der Nachttau funkelte noch an den hohen Halmen des Präriegrases; Purzel nahm davon einen leichten Frühtrank und knabberte einige Jungspitzen Gras. Dann begab es sich auf die Wanderung, einem neuen Leben entgegen.

Diesmal wollte Purzel allein bleiben, ohne Freund, ohne einen Kameraden, der ihm Kummer bereitete. Es wollte nur seiner eigenen Kraft und Klugheit vertrauen. So wanderte es einen Tag. Es genoss die Stille der riesigen Steppe und den Duft der kleinen Kräuter am Boden. Als die Sonne sank, suchte es sich wieder eine sandige Kuhle und buddelte sich ein. Purzel war lange genug mit Lux gestreift; es kannte genau die Sprache der Wölfe; ihr Geheul machte es nicht nervös wie die anderen Hasen, die dann aus dem Schlaf hochsprangen und sich verrieten. Anfangs lauschte Purzel, ob es die Stimme von Lux vernehme? Aber es waren nur die wilden Steppenwölfe; und so fiel Purzel, das sich tief in den Sand gewühlt hatte, in tiefen Schlaf.

Am zweiten Tag begegnete Purzel einer Schar großer hochbeiniger Vögel mit schwarzer Brust, dunklem Kopf, gelbem Hals und aschgrauen Flügeln. Sie hielten im Lauf inne und fragten das Häschen, weshalb es allein in der weiten Steppe herumhopse? „Ich heiße Nandu, der Pampastrauß. Hast du deine Kameraden verloren? Wir können dir helfen, die Deinen zu suchen!“, erbot sich der langbeinige Chef der Strauße.

„Schönsten Dank!“, erwiderte Purzel. „Ich wandere lieber allein.“

„Verzeihung unsrer Frage“, meinte der Nandu höflich, „doch es ist so ungewöhnlich – hat man dich verstoßen?“

„Nein; aber ich liebe die Einsamkeit.“

„Mein kleiner Freund, du weißt, das ist gefährlich. Man ist stärker in Gesellschaft der Kameraden. Gewiss hast du niemals einen Wolf oder Steppenhund gesehen?“

Konnte Purzel hierauf etwas entgegnen? Es lächelte bloß.

„Es ist wohl schwach an Verstand!“, meinte mitleidig eine alte Straußenmama.

Der Nandu aber sagte zu Purzel: „Viel Glück, mein Dummerchen ! Und wenn du nachts Geheul hörst, so springe nicht nach vorn von ihm weg, sondern schlage dich seitlich! Die Wölfe jagen stets geradeaus!“

An den nächsten Tagen begegnete Purzel noch der Riesenschlange mit den bunten Mustern auf dem Rücken und dem mordlustigen Steppenadler. In beiden Fällen drückte sich Purzel regungslos an den Boden, so dass es wie ein Häufchen Sand aussah. Denn es wusste, dass die beiden Feinde nur auf sich bewegendes Lebendiges stoßen. Der Adler zog denn auch über das „tote“ Häufchen hinweg. Der goldgelbgestreifte Knäuel hatte jedoch seinen Kopf erhoben und blickte mit den stumpfen, achatgrauen Augen starr auf das regungslose Etwas, während der Hals sich hin und her wiegte und die Zungenspitze immer wieder wie ein Flämmchen vorschoss. Dabei zischte sie: „Ich habe Zeit – hihi! Ich kann warten – hihi! Ich bin die Boa bollera constrictor!“

 

Der Steppenbrand. Purzel findet Paolo Dreibein von Friedrich Wolf: TextAuszug