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Treibjagd auf Menschen von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.00 (0.99)) €
Veröffentl.:
01.08.2024
ISBN:
978-3-68912-074-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 10 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Rechtlich, Belletristik/Politik, Belletristik/Geschichten vom Meer
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane
Deportation, Deutsche Soldaten, Flucht, Gefangenschaft, Hoffnung, Kriegsverbrechen, Leid, Menschlichkeit, Rotarmisten, Trauma, Überleben, Ukraine, Verfolgung, Zeitgeschichte, Zwangsarbeiter, Verschleppung, Kriegsgefangene, Zweiter Weltkrieg
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Und nun berichtet die alte ukrainische Bäuerin, auf der Ofenbank niedersitzend, schluchzend, während ein Rotarmist sie tröstet: „Ruhig, Mütterchen, du wirst dein Töchterchen noch einmal wiedersehn; das garantieren wir dir!“ – Die alte Bäuerin erzählt, wie der deutsche Ortskommandant von Swatowa alle Mädels und Jungens ab sechzehn Jahren nach einer Liste in den umliegenden Dörfern des Rayons aufrufen und zusammentreiben ließ. Da deutsche Kolonnen mit vielen Verwundeten durch das Dorf marschiert waren und die deutschen Soldaten alle letzten Getreidevorräte mitnahmen, ahnte man nichts Gutes. Die zwei Töchter der Bäuerin im Alter von siebzehn und neunzehn Jahren suchten sich bei Bekannten in einem etwas abseits gelegenen Gehöft zu verstecken. Doch es begann ein richtiges Kesseltreiben, eine Treibjagd auf Menschen, durch ein deutsches Polizei- und SS-Kommando. Sie sei in ihrer furchtbaren Sorge um ihre Kinder zu dem Gehöft gelaufen, habe dadurch vielleicht grade die Polizeitrupps aufmerksam gemacht. Als man ihre Töchter dann abschleppte, habe sie sich vergebens vor den Deutschen niedergeworfen und sie im Namen der Mutter Gottes angefleht, ihr doch ihre Kinder zu lassen. Man habe nicht auf sie gehört und ihre beiden Töchter mit noch achtundzwanzig jungen Menschen des Dorfes weggeschleppt. Auch ihre Töchter hätten furchtbar geweint und geschrien; aber die deutschen Polizeimänner und Soldaten hätten alle wie Vieh auf ein Lastauto hinaufgeladen.

Als ich dies den deutschen Soldaten übersetze, erklärt der Oberleutnant schon recht unsicher und zögernd, falls dies wirklich vorgekommen sei, er persönlich sei niemals bei einer solchen Sache dabeigewesen. Auch ein Soldat meint verlegen, das könne doch nicht sein. Die andern drei deutschen Soldaten schweigen und schauen auf die weinende alte Frau.

Einen Augenblick herrscht eine tiefe Stille in der kleinen Hütte. Der große dampfende Teekessel der Bäuerin steht noch immer mitten auf dem Tisch. Da sagt ein Rotarmist zu mir: „Du, frage doch einmal die Deutschen, ob sie immer noch nicht verstehen, weshalb wir kämpfen? Und dass wir kämpfen werden, unbedingt kämpfen werden, bis der letzte von diesen Menschenräubern aus unserm Lande heraus ist!“

Ich übersetze die Frage den deutschen Soldaten. Und ich füge noch hinzu: „Was würdet ihr wohl tun, wenn man eure Schwestern in Deutschland so rauben würde? Habt ihr wirklich nicht das geringste Gefühl dafür, was für erbärmliche Schandtaten ihr hier begangen habt?“

 

Treibjagd auf Menschen von Friedrich Wolf: TextAuszug