Ich verzog mich an die Seitenecke der Mauer, von wo ich die Ereignisse an der Rückwand bemerken und zugleich, wenn Not, die störende Bestie in wenigen Sprüngen nach dem vorderen Tor ablenken konnte. Es war eine wunderbare warme Augustnacht. Aus dem Garten hoben die alten Nussbäume und Kastanien ihre dicht belaubten Häupter über das Gemäuer. Seitlich führte eine schmale Steige zu dem Weinberg hinan. Das Schiefergestein strahlte noch die Tageswärme aus. Dennoch hatte sich im kühlen Talwind des Stromes an der Wärmegrenze ein leichter Nebelschleier gebildet, der vom Rhein her den Berg hinaufwehte und die Villa umlagerte. Wohl von dieser Erscheinung kam mir plötzlich ein Vers in den Sinn, den ich schnell wieder fallen lassen wollte, der sich aber direkt an mich klammerte:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Es war ein Vers aus meinem Lieblingsgedicht Willkommen und Abschied, das der junge Goethe niedergeschrieben, als er nachts von seiner Friederike von Sesenheim nach Straßburg geritten war. Ich sprach die Verse vor mich hin und lauschte. Nichts.
die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer
Ich wusste, Ernas Vater, der neben seinen Weinbergen eine Pferdezucht hatte, würde als alter Kavallerieoffizier mit Heinz, wenn er ihn nachts bei seiner Tochter antraf, kurzen Prozess machen. Meine Fantasie sah durch die Nacht hindurch deutlich die fertige Szene. Plötzlich knallten irgendwo zwei dumpfe Schüsse. Ich fuhr hoch, lauschte sprungbereit. War es Einbildung? Waren es die Weinbergswärter, die oft solche Schreckschüsse abgaben? Oder war es wirklich ich rannte zur hinteren Mauer, atemlos horchend.
Tiefe Stille. Die Erde schien zu atmen.
Nichts sonst.