Kommen wir zur Sache. Ich habe nun endlich Nachricht über die Kollegin Schellok. Sie liegt im Krankenhaus. Mittwoch ist Operation.
Das ist schlimm, sagte Merlin betroffen und fuhr sich durchs Haar, hat sie nicht zwei Kinder?
Ich rechne mit einem Vierteljahr Ausfall, mindestens. Wir können natürlich die Karre nicht schleifen lassen so lange. Ich habe den Antrag auf einen Springlehrer gestellt beim Kreis - abgelehnt. Helft euch aus eigener Kraft, hieß es da. Also hab ich dem Schulrat deinen Namen genannt. Bleib sitzen. Es geht vor allem um die Siebente, du kennst sie, hast bereits mehrfach vertreten, das bleibt. Hinzu kämen die Klassenleitergeschäfte. Das Elternaktiv wird dich unterstützen. Die Stunden in den anderen Klassen, die sie hatte, verteilen wir schon irgendwie. Merlin schwieg, blickte den Direktor abwartend an. Der fasste das als Zaudern auf. Dieser Zwischenfall neulich, betraf er nicht Schüler aus dieser Klasse?
Günter Schubert und Frederic Funcke.
Funcke? Funcke? Da liegt doch irgendwas vor von der Jugendfürsorge? Er suchte auf dem Schreibtisch, fand ein geöffnetes Kuvert, las das Schreiben noch einmal durch. Wir sollen uns kümmern um ihn, die Patenschaft übernehmen, die Eltern ... eine Unfallgeschichte ...
Nicht mehr nötig, unterbrach ihn Merlin, die Mutter ist wieder zu Hause.
Na bitte. Du kennst die Verhältnisse also schon, desto besser. Ich glaube bestimmt, dass du dich in dieser neuen Funktion bewähren wirst, ein jugendlicher Draufgänger, der sich in der Praxis erprobt. Und wenn das gut geht, ich meine, die Lehrertagsprämie kann so und so ausfallen.
Merlin stand auf. Er rieb sich seinen Unterarm. Die Küken zählt man im Herbst, sagte er. Also, ich seh dann am besten gleich mal nach der Klasse, damit sie weiß, woran sie ist.
Der Direktor zerdrückte seine Zigarette im Aschenbecher. Er blickte ihm lange und nachdenklich hinterher.
Till Merlin traf seine Schüler unter der Heine-Linde, dicht neben der Absperrung der Sicherheitszone: Ineinander gestellte Schneezäune von der Kreisstraßenmeisterei, in denen die Unterstufenschüler Verstecken spielten. Er informierte sie kurz, glaubte bei einigen sogar ein freudiges Aufblitzen in den Augen zu entdecken, als er ihnen von seinem kommissarischen Auftrag berichtete. Also, was liegt als nächstes an?, erkundigte er sich.
Fußballspiel, betonte Günter Schubert. Doch Lydia tippte sich an die Stirn. Gruppenleitungswahl, erwiderte sie, und damit ihr es gleich wisst: Ich mache das nicht mehr.
Lydia! Schätzchen! Günter Schubert legte ihr den Arm um die Schulter. Wo das keiner so gut kann wie du!