Irgendwann sah er dann nur noch den Tisch, der gedeckt war, beladen mit einem Stapel duftender Brotfladen, mit goldgelber Butter, mit Rührei auf einem riesigen Teller, einem ganzen Berg aus Rührei... Und Krischna versuchte im Traum, darauf zuzugehn, schluckend, von Hunger gewürgt, am Hals zurückgehalten von unsichtbarer Hand. Er wehrte sich gegen den Würgegriff, wollte ihn abschütteln, sich befrein, um an den Tisch zu gelangen; da wurde er plötzlich beiseite gestoßen, stürzte hin, schlug mit dem Kopf auf einer harten Unterlage auf und - erwachte.
Und sah, ohne zu begreifen, eine Gestalt aufspringen, in der Gasse verschwinden, und erkannte über den Dächern und unter dem Torbogen den Himmel, der eben dämmerte, einen Fetzen Morgenhimmel, und bemerkte mit einer Gewissheit, die ihn entsetzte, einen kostbaren Atemzug lang lähmte, wie niedrig sein Kopf lag, wie hart und flach auf der Matte.
Als Krischna wieder zur Besinnung kam, keuchend, taumelnd, von Schweiß überströmt, erschöpft, wusste er nicht, wo er sich befand, nicht, wie weit er gerannt war. In seinen Ohren hämmerte das Blut, und vor seinen Augen tanzten Funken. Dennoch lief er weiter, setzte beinah mechanisch Fuß vor Fuß, schlurfend.
Genauso gedankenlos, fast instinktiv, war er, nachdem er das erste Entsetzen überwunden hatte, aufgesprungen und losgestürzt, dem Dieb hinterher, schreiend. Anfangs schien die Entfernung gleich zu bleiben, sich gar zu verkürzen; mit flatterndem Hemd, das Bündel an die Brust gepresst, lief der Bursche, der Krischnas Nachbar gewesen war, hüpfend über das Pflaster, zunächst nur mit einem Vorsprung von etwa dreißig, kaum mehr als fünfunddreißig Metern. Der Dieb aber kannte hier jeden Winkel, und die Gassen und Straßen waren zu dieser Stunde fast leer. Niemand hielt ihn auf; unbehindert konnte er um Ecken biegen, immer wieder die Fluchtrichtung ändern. So war es ihm gelungen, zu verschwinden im Labyrinth dieser Stadt; so war er entkommen.
Es dauerte eine Weile, bis Krischna das voll begriff. Noch sträubte er sich, das ganze Ausmaß seines Unglücks einzusehn. Mit zitternden Beinen schlurfte er weiter, ziellos.
Sicher hatte er, als er aufgesprungen war, schreiend, tierisch schrill, die anderen Obdachlosen unter dem Torbogen geweckt. Vielleicht hockten sie jetzt auf ihrem Lager, redeten erregt durcheinander, bedauerten ihn und überlegten sogar, wie sie ihm helfen könnten.
Krischna war zu verstört, um diese Möglichkeit auch nur zu erwägen. Selbst an die Matte, die er liegengelassen hatte, erinnerte er sich erst, als es zum Umkehren zu spät war. Mit aufgerissenen und dennoch blicklosen Augen irrte er weiter in die Richtung, in der er den Dieb hatte verschwinden sehn.
Da fiel aus der Hose, die bei der Verfolgung verrutscht war, ein gelbliches Stück Knorpel auf das Pflaster. Beinah wäre Krischna daraufgetreten; wie mechanisch bückte er sich danach. Beim Aufrichten begannen plötzlich die Straße, die Häuser, der Himmel vor seinen Augen zu wanken, zu verschwimmen.
Und dann saß er auf dem Pflaster, unmittelbar neben einer Gosse, aufgestützt mit der einen Hand, in der anderen das Mittelstück der Trophäe - der einzige Besitz, der ihm geblieben war. Das begriff er nun mit voller Klarheit, und jetzt, erst bei dieser Erkenntnis, fing er zu schluchzen an, bitter und schwer.