In der Gedenkstätte Seelower Höhen sah ich eine Ausstellung über den Kreis Königsberg in der Neumark, von dessen Existenz ich nur einen vagen Eindruck hatte. Mit einfachen Mitteln bekommt man eine Übersicht über einen im 13.Jahrhundert besiedelten Landstrich rechts der Oder. Im Wesentlichen dörflich geprägt, verlieren sich seine acht kleinen Städte in der Feld-, Wald- und Seenlandschaft. Küstrin ist die größte Gemeinde mit 24 000 Einwohnern, die Kreisstadt Königsberg zählte nicht viel mehr als 6 000 Einwohner, lag aber etwa in der Mitte des Kreises und war der Verwaltungsort, der Sitz des Landrats für die 100 kleinen Dörfer und Gutsflecken, alles in allem etwa für 100 000 Kreis-Einwohner, die von Landwirtschaft und ihren Nebengewerben lebten. Der Kreis rechnete sich zu Brandenburg und nannte sich ostbrandenburgischer Landkreis. Doch Name ist Schall und Rauch, zumal heute, nach mehr als fünfzig Jahren Zugehörigkeit zu Polen.
Die historischen Fotografien zeigen Laubenhäuser und kleine Gastwirtschaften, Gutshäuser kleineren Zuschnitts und die typischen preußischen Marktplätze. Eine kleine Welt beschaulicher Begrenzung bietet sich dar, fast wie eine Abwehr vor den Eingriffen durch das laute Leben. Begehrlichkeiten sah das Land viele, lag es doch als Teil der Neumark zwischen Brandenburg und Posen/Westpreußen und diente daher bereits den Kreuzrittern als Nachschubbasis und Übergangsweg nach Preußen.
Der Deutsche Orden kauft das Land, doch die Märker wehren sich, der immerwährende Streit wird dann durch die Kraft des Faktischen entschieden: die brandenburgischen Markgrafen ergreifen Besitz von dem Kreis, übernehmen die Verwaltung und setzen damit dem Chaos ein Ende. Nun erschüttern die Kriege den Landstrich, zuerst der Dreißigjährige, hundert Jahre später der Siebenjährige, dann kommen die Franzosenzeit und Befreiungskriege. Die Revolution von 1848 hinterlässt nur geringe Spuren, aber um so stärker vernichtet der Zweite Weltkrieg in unserem Jahrhundert die Dörfer und Städte. Nur wenige Steine bleiben aufeinander, unsagbar das Leid derer, die das Opfer für eine Taktik der Verbrannten Erde wurden. Ein paar Tausend gingen auf den Treck. Heute erinnert ein Verein in Braunschweig an die alte Heimat. Die zur Eröffnung der Ausstellung angereisten Gäste waren meist schon betagt. Mit ihnen wird auch die Erinnerung an die Heimat vergehen. Es bleibt spekulativ zu fragen, ob der Plan ihres Landsmanns Henning von Tresckow, Hitler zu beseitigen, die Zerstörung verhindert hätte. Vermutlich. Doch sein Vorgesetzter, ihr Landsmann Fedor von Bock, verweigerte sich dem Werben von Tresckow, dabei mitzumachen, und lud damit auch Schuld auf sich, dass nur 21 Gemeinden links der Oder heute noch zu Deutschland gehören.
Dabei musste man doch wissen, was verlorene Schlachten und Kriege für Folgen haben. Zorndorf mit seinem Schlachtfeld aus dem Siebenjährigen Krieg liegt im Kreis. Damals sah Friedrich sehr wohl, dass die Schlacht gegen die Russen verloren ging. Er hoffte aber auf Seydlitz, den Reitergeneral, und befahl ihm bei seinem Kopf, den Angriff der Russen zu stoppen. Dieser antwortete in bescheidenem Stolz: Nach der Schlacht; bis dahin brauche ich ihn noch. Und wie er ihn einsetzte! Hätte der Feldmarschall von Bock das nicht auch gekonnt?