Schicksalsberichte
Auch in seinem Buch „Am Kai der Hoffnung“ hat Walter Kaufmann packende Stories versammelt
Obwohl das Buch „Am Kai der Hoffnung“ bereits 1974 im Verlag der Nation Berlin erschienen ist, packen die darin versammelten Stories noch immer. Erzählt der Globetrotter Walter Kaufmann in ihnen doch von Schicksalen von Menschen, die ihre Liebe verteidigen wollen und die sich wehren müssen gegen eine nicht immer friedliche Natur und gegen eine oft unbarmherzige Umwelt. Berichte mitten aus dem Leben.
So auch die erste Geschichte mit dem Titel „Ruf der Inseln“. Da geht es um den Seemann Keith Forrest, der Frau und Kinder in Sydney hat und zugleich eine Geliebte auf den Fidschi-Inseln - Caroline aus Suva: „Sie war nicht wie die anderen Töchter der Fidschi-Inseln, nicht so redselig, ruhiger, zierlicher aber auch nicht so schön. Im Vergleich zu ihnen war sie mager, hatte eine viel dunklere, fast schwarze Haut, und ihr Gesicht war auf Stirn und Wangen von Blatternarben entstellt. Doch ihre Augen, die Augen ihrer Mutter, waren groß und leuchtend wie zwei stille Weiher in einer rauen Landschaft, und ihre Stimme, die Stimme ihres Vaters, war leise und sanft wie das Raunen des Windes in den Blättern der Palmen. Die Besatzung der „Rosa“ kannte Caroline aus Suva und wusste, dass sie dem Seemann Keith Forrest gehörte, der in Sydney Frau und zwei Kinder hatte.“
Und doch glaubt Caroline, dass der verheiratete Seemann ihr Mann sein könne. Aber Keith Forrest hat an diesem Abend noch etwas zu erledigen. Er will Caroline erklären, dass er nicht wiederkommen werde: „Heute Nacht bleibe ich bei dir“, erklärte Keith Forrest. „Und morgen den ganzen Tag, und dann - nie wieder.“ Und trotzdem war Caroline, die so ganz anders war als die anderen Töchter der Fidschi-Insel, glücklich …
Walter Kaufmann, der eigentlich Jizchak Schmeidler heißt und am 19. Januar 1924 in Berlin geboren wurde, ist ein deutsch-australischer Schriftsteller. Der in Duisburg aufgewachsene Adoptivsohn eines jüdischen Anwaltsehepaars hatte als 14-Jähriger mit einem Kindertransport über die Niederlande nach Großbritannien fliehen können und wurde so vom Schicksal seiner im KZ Auschwitz ermordeten Adoptiveltern verschont. Mit 15 als „feindlicher Ausländer“ nach Australien deportiert, musste er sich dort ganz auf sich allein gestellt seinen Lebensunterhalt verdienen – als Obstpflücker, Landarbeiter, Straßenfotograf, Werftarbeiter sowie als Arbeiter im Schlachthof, als Freiwilliger in der Australischen Armee und als Seemann. 1953 erschien in Melbourne sein erster Roman „Voices in the storm“. Ihm folgten seit seiner Übersiedlung in die DDR 1957 mehr als 30 Bücher. Deren Mehrzahl hat Kaufmann, der noch immer die australische Staatsbürgerschaft besitzt, in englischer Sprache geschrieben, anschließend selbst übersetzt oder übersetzen lassen. Sein bewegtes Leben als jüdischer Emigrant, seine Reisen als Seemann, sein Leben in Australien und die Ereignisse im faschistischen Deutschland thematisierte der Autor in vielen seiner Romane, Erzählungen in der Tradition der amerikanischen Short Story und Reportagen.
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