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Ein Mann führt Tagebuch

Jürgen Leskien macht mit dem bewegten Leben von Herrmann Köppen bekannt

Am Anfang passiert ein Unglück. Ein Schiffsunglück. Mutter und Vater überleben es nicht, aber der 17-jährige Junge, ein frischgebackener Schmiedegeselle, der aus Deutschland nach Südwestafrika kommt, wird gerettet und kommt zu den Missionaren auf Obongo. Dort will er sich nützlich machen und helfen, in den deutschen Schutzgebieten, „Pflanzstellen der Moral, der deutschen Gesinnung und des reinen christlichen Glaubens zu errichten“. Und der Junge beginnt, nach seiner wundersamen Rettung Tagebuch zu führen. Der erste Eintrag stammt vom 15. Januar 1894. Auch diesmal hat der Schriftsteller Jürgen Leskien eine hervorragende Möglichkeit gefunden, afrikanische und deutsche Geschichte miteinander zu verbinden und sehr persönlich erlebbar zu machen.

Denn der Eisenbahner Hermann Köppen, Beamter an der Strecke Swakopmund - Windhuk, Südwestafrika, aus dessen Nachlas hier erzählt wird, der stammt aus Deutschland, aus Berlin. Siedeln will er in Südwest, er will seinem Alltag in Deutschland entfliehen und in Afrika einen neuen Anfang finden. Schließlich wird er sesshaft auf der Bahnstation Vogelgrund, in der kargen Steppenlandschaft Deutsch-Südwestafrikas und dort scheinen seine Träume von einem besseren Leben in Erfüllung zu gehen. Er hat später Elisa, die Hererofrau, an der Seite, kann stolz sein auf seine Kinder Anna und Markus, und er wird geachtet - von den Afrikanern und von den deutschen Siedlern.

Hier jedoch noch ein Auszug aus den ersten Jahren des Tagebuchs:

„18. Juli 1902

Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen! Swakopmund meldete um 8 Uhr und 2 Minuten den Abgang des ersten Zuges. Für 17 Uhr war er uns angekündigt, Karibib meldete pünktlich. Kurz nach 4 Uhr kam Isaak außer Atem in die Station, er hatte die Rauchfahne gesehen. Ein Viertel nach 5 Uhr stiegen Amtsmann Gall und Bahnrat Schulz aus dem zweiten Wagen. Die Herren waren verschwitzt, hochrot, aber bester Laune. Sie drückten mir und Ursula herzlich die Hand und zwängten sich wieder in den Wagen. Ausspann wird in Wilhelmstal sein. Dort erwarte alle ein gutes Essen und ein kräftiger Umtrunk nach alter deutscher Art. Mit Blick auf Ursulas Umstand gab es keine Fragen, warum ich mich entschuldigte. 17 Uhr 28 verließ der Zug die Station. Wenig später stand nur noch der Rauch über der Steinkoppe.

Zur Feier des Tages und in Anerkennung treuer Pflichterfüllung schenkte ich Isaak eine Taschenuhr, ihm standen Tränen in den Augen. Die anderen Bambusen waren sprachlos.“ Sehr konkret lässt Leskien die Umstände miterleben, unter denen sich das Leben des Eisenbahners und seiner Familie vollzieht. Eine nicht unwichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Briefwechsel mit seinem Bruder Herbert, der auch nach Südwest kommt. Und später die Briefe der Kinder aus Deutschland nach Afrika.

Denn mit den Jahren, fast unbemerkt, entgleiten ihm Tochter und Sohn. Die alte Heimat, das veränderte Europa, ruft. Hermann Köppen folgt diesem Ruf nicht – anders als die Jungen. Sie suchen, wie einst ihr Vater, ihren eigenen Weg, und nichts kann sie aufhalten. Das Unheil, das sehr viel mit deutscher Geschichte zu tun hat, nimmt seinen Lauf.

Der Eisenbahner Hermann Köppen, Beamter an der Strecke Swakopmund - Windhuk, führte sein Tagebuch in den Jahren 1894 bis 1949.

Aufschlussreich ist nicht zuletzt die letzte literarische Seite des Buches:

„Hermann Köppen

f. d. R. Klein Rechtsanwalt

Holländer

Missionar auf Obongo

Hermann Köppen ist eine literarische Figur. Nebenpersonen und Situationen sind erfunden. Die Authentizität der zitierten Zeitdokumente ist verbürgt.

J. L.“

Der Tagebuchroman war erstmals 1991 im Verlag Neues Leben GmbH, Berlin, erschienen.

Seit Jürgen Leskien 1978 als Kfz-Schlosser im Rahmen der DDR-Entwicklungshilfe in Angola arbeitete, lässt den diplomierten Theaterwissenschaftler und Ingenieur für zivile Flugsicherung das südliche Afrika nicht mehr los. Er arbeitete im UNHCR Flüchtlingscamp für namibische Flüchtlinge, unternahm mit einer Volkskammerdelegation einen offiziellen Namibiabesuch, führte in der DDR lebende namibische Flüchtlingskinder zurück, war Mitinitiator der Spendenaktion „Fischkutter für Angola“ und engagiert sich seit 2005 in der AFRIA-LEO Foundation Namibia/Damaraland. Der freiberufliche Schriftsteller hat seinen offiziellen Wohnsitz in Kleinbeuthen bei Berlin, hält sich aber sehr oft in Namibia (Swakopmund, Damaraland, Farm Karos) auf.

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