Vorwort mit Anspielung
In seinem Buch „Stärker als der Nachbar“ erzählt Günter Saalmann Kindergeschichten für (Groß)Eltern
Wer nicht weiß, was Kindergeschichten sind, der bekommt in der Sammlung „Stärker als der Nachbar“ von Günter Saalmann eine lesenswerte Antwort – und eine Auskunft darüber, was denn Kindergeschichten für (Groß)Eltern sein sollen. Und warum sie der Autor eigentlich aufgeschrieben hat. Sehr aufschlussreiche Auskünfte dazu enthält das unbedingt zur Lektüre empfohlene Vorwort, in dem sich der Autor unter anderem gegen den Vorwurf wehrt, seine Jugendbücher seien „sehr anspruchsvoll“ für Jugendliche. Zugleich erfahren wir, dass dieses Bändchen ein selbstgemachtes Geburtstagsgeschenk zu seinem damals bevorstehenden 60. Geburtstag war. Das wurde 1995 geschrieben. Und außerdem enthält das Vorwort eine möglicherweise heute nicht mehr jedem verständliche Anspielung. Die von Feuer und Wasser …
Feuer und Wasser. Das gilt auch für die Abfolge seiner Geschichten. Oder wie der Autor in seinem witzig-hintergründigen Vorwort sagt: „Mag ansonsten die Reihenfolge einmal mehr zum Beweis dienen, wie man Geschichten doch aufeinander folgen lassen kann, die unvereinbar sind wie Feuer und Wasser ... Sehen Sie, da hätten Sie so eine Anspielung.“
Überspringen wir die erste und die zweite Geschichte des literarischen Selbstgeburtstagsgeschenks und schauen uns die dritte an. Das eigentlich keine Geschichte, sondern eine 1990 verfasste „Fabel-Fabel“. Und die geht so: „Wir könnten Freunde sein“, spricht der alte Fuchs zu dem jungen Raben, der mit einem Käse im Schnabel auf einem hohen Ast sitzt. „Oder trägst du uns Füchsen etwa noch heute jene Geschichte nach, die irgendwann einmal zwischen unseren Vorvätern passierte? Du weißt, was ich meine?“
„Hm“, knarrt der junge Rabe.
„Freilich nicht die feine Art, wie mein Ur-ur-urgroßvater deinen Ur-ur-urgroßvater um sein Frühstück brachte. Wenn es auch nur Käse war.“
„Hm“, knarrt der gelehrte junge Rabe.
„Zugegeben, ein wenig geschmacklos, wie er der schönen Stimme deines verehrten Ahnen schmeichelte. Wenn er auch im Grunde recht gehabt haben dürfte: „Gesangsbegabungen liegen nun mal in der Familie, und wie erzählt wird, hast auch du wieder dein Teil davon geerbt. Ach, wenn ich dich doch einmal singen hören könnte!“ „Unsereiner fällt nicht zweimal auf den gleichen Schmus herein“, versetzt knarrend der gelehrte junge Rabe, und natürlich fällt ihm das Käsestück aus dem Schnabel. Der Fuchs verschlingt es, leckt sich die Lefzen und trollt sich gähnend.“
Fabelhaft, wirklich fabelhaft diese Kindergeschichten für Eltern und Großeltern, geeignet zum selber Lesen und Nachdenken, aber vor allem auch zum Vorlesen und um darüber zu reden. Auch wenn man nicht gleich jede Anspielung verstehen sollte.
Der 1936 in Waldbröl im Bergischen Land geborene, aber in Sachsen aufgewachsene Schriftsteller Günter Saalmann war über die Tanzmusik zum Schreiben gekommen: Die Schlager- und Liedtexte des Posaunisten hatten ihm Mitte der 1970er Jahre einen Studienplatz am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ eingebracht. Danach wurde er freischaffender Schriftsteller - und Musiker. Zusammen mit dem Jazzgitarristen Helmut „Joe“ Sachse trat er in dem musikalisch-literarischen Programm „Po(e)saunenstunde“ auf, bei Litera erschien 1983 eine gleichnamige LP. Saalmann, der seit Jahren in Chemnitz lebt und arbeitet, schreibt vor allem Kinder- und Jugendbücher, aber auch Kindergeschichten für (Groß)Eltern. Nach eigenen Worten spricht er „Kinder von 92 – 174 cm und Erwachsene ab drei ausgelesenen Büchern“ an. Auch seine musikalischen Programme seien „für alle Altersgruppen von 6 bis 99 geeignet“.
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