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Was ist das bloß für ein Kerl …

Karl Sewart hat eine spannende Geschichte des erzgebirgischen Wildschützen Karl Stülpner geschrieben

Auch dieses Buch von Karl Sewart hat einen Anfang, der einen zum Weiterlesen ermuntert. Die Szenerie ist zu Beginn des ersten Teils geheimnisvoll und irgendwie gespenstisch: „Der Nachtwächter hat die zwölfte Stunde ausgerufen. In den Hütten des kleinen Fleckens, die sich ängstlich an den Burgberg ducken, ist das letzte Licht längst ausgegangen. Die Leute ruhen von ihrem schweren Tagwerk aus. Es ist still geworden. Nur das Mühlenwehr rauscht dumpf vom Fluss herauf, das Radwerk klappert leise. In immer dichteren Schwaden steigt der Nebel auf. Fast drohend ragt die Silhouette der Burg in den düsteren Herbsthimmel. Nur ab und zu dringt ein Mondstrahl durch die schwere Wolkendecke. Einmal ist es, als ob oben auf der Burgmauer die Gestalt einer weiß verschleierten Frau erscheine ...“

Doch plötzlich ändert sich das Bild: „Im Namen des Gesetzes! Öffnet die Tür!“ Ein Haus wird gestürmt. Das Haus an der Brücke. Etwa ein Dutzend Männer schlagen mit Fäusten und Gewehrkolben gegen Tür und Fensterläden, sind schon dabei, die Tür aufzubrechen. Wenig später sind sie in dem Haus und suchen laut und  lärmend nach einem Mann – nach Karl Stülpner, dem erzgebirgischen Wildschützen, der sich hier im Hause seiner Mutter aufhalten soll. Auch die alte Frau wird aus dem Bett geholt und harsch und unter Androhung von Gefängnis nach dem Aufenthalt ihres Sohnes gefragt. Sie suchen Karl Stülpner, den erzgebirgischen Wildschützen, einen Jäger und einen ewig Gehetzten. Noch dringlicher verlangen die Soldaten und inzwischen eingetroffene Justizbeamte von der alten, abgearbeiteten Frau Auskunft über den Aufenthalt ihres Sohnes. Aber sie erfahren nichts. Nur dass er gestern noch da gewesen sei.

Inzwischen sind noch mehr Leute ins Haus gekommen, darunter der Ortsrichter, der den Häschern mitteilt, dass sich der gesuchte Delinquent nicht in dem Haus versteckt halten könne und fügt zur Begründung hinzu, dass er ihm eben auf dem Weg hierher begegnet sei. „Stülpner habe ihn angesprochen und ihn gefragt, was die Kerls vor seiner Wohnung wollten. Er, der Richter, habe gesagt, er wisse es nicht. Er sei mit anderen Einwohnern seitens der Gerichte aufgefordert worden, sich zu Stülpners Wohnung zu begeben. Da habe Stülpner erwidert, er werde schon herausfinden, worum es gehe, und Gnade Gott, es handle sich um eine unrechte Sache gegen ihn. Er werde seine Doppelbüchse aus dem Versteck holen. Das habe Stülpner in drohendem Tone gesagt. Darauf sei er in der Dunkelheit verschwunden, als ob ihn der Erdboden verschluckt habe.“

Wieder einmal war es Karl Stülpner gelungen, sich seinen Jägern zu entziehen. Und dieses Kunststück war ihm offenbar nicht ganz ohne Mithilfe anderer Einwohner des Dorfes gelungen. Wohl oder übel muss man zum Rückzug blasen, nicht ohne, dass der Leutnant der Musketiere Befehl gibt, das Stülpner-Haus streng und heimlich zu bewachen. Das ist ein spannender Einstieg, der zum Weiterlesen drängt. Wird sich Karl Stülpner doch wieder dort sehen lassen? Oder wird er unterwegs gefangen genommen? Und wer ist dieser Karl Stülpner überhaupt?Was ist das bloß für ein Kerl, dieser Stülpner«, sagt einer der Musketiere des Fangkommandos zu einem anderen. „Die Gerichte, die Förster stellen ihm an allen Ecken und Enden nach, und nun wird auch noch Militär gegen ihn aufgeboten, das Haus besetzt, der ganze Ort abgeriegelt. Ein halbes Dutzend von Spitzeln schwört, er halte sich in der Wohnung seiner Mutter auf, aber als man eindringt, da hat der Kerl sich in Luft aufgelöst. Der muss es doch mit dem Leibhaftigen haben!“

Nach solchen Zeilen muss man weiterlesen, will wissen, wie die Geschichte weitergeht. Und wie das Leben des Karl Stülpner begann und endete. Über den Beginn, der wie das Ende im Monat September lag, erfahren wir eingangs des zweiten Teils des informativen Buches. Leider begann das Leben des Carl Heinrich Stilpner, der erst später etwas anders geschrieben wird, unter einem denkbar ungünstigen Stern, wie Autor Karl Sewart zu berichten weiß. Trotzdem versucht er sich durchzuschlagen. Schon als Junge kommt er irgendwie zu einem Gewehr und übt sich früh im Schießen. So wie heute viele Jungen Lokomotivführer oder Piloten oder Fußballstars werden wollen, so war der Traumberuf vieler damaliger Jungen der des Jägers. Und außerdem war sein Großvater ein geachteter herrschaftlicher Jäger gewesen. Konnte er es ihm nicht gleich tun?

Das erstmals 2002 im Chemnitzer Verlag erschienene Buch „Karl Stülpner. Die Geschichte des erzgebirgischen Wildschützen“ gibt Antwort auf diese Frage und spannende Einblicke in eine weit zurückliegende Zeit. Dank dem Geschick des Autors kommt man dieser weit zurückliegenden Zeit beim Lesen ziemlich nahe. Nicht zuletzt deshalb ist dieses Buch so lesenswert. Ob sie den Stülpner-Karl am Ende doch noch gefangen haben?

Der inzwischen 82-jährige Autor Karl Sewart wurde 1933 in Annaberg geboren, hatte nach dem Studium der Berufspädagogik und einer Ausbildung als Kunsterzieher zunächst in Leuna und Merseburg als Lehrer gearbeitet, bevor er eine Anstellung in Großolbersdorf und Drebach bekam. Während der Merseburger Zeit kaufte sich Sewart ein Rennrad, um jedes Wochenende nach Hause in sein geliebtes Erzgebirge fahren zu können. Schon als Schüler unternahm er erste Schreibversuche und studierte von 1970 bis 1973 am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 40 Jahren ist er freischaffender Schriftsteller und siedelt seine Bücher vorwiegend in seiner erzgebirgischen Heimat an.

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