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Zu Besuch auf der Erde. Unwahre Begebenheiten von Gerhard Branstner
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Preis E-Book:
5.99 €
Veröffentl.:
16.09.2016
ISBN:
978-3-95655-733-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 84 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Science Fiction /Weltraumoper, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Kurzgeschichten
Science-Fiction: Weltraumoper, Space Opera, Belletristik: Humor, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Science Fiction, Humor, Weltall, Philosophie, Raumfahrer, Lügengeschichten, Erde
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Wir sprachen bereits eingangs davon, dass die Erde eines Tages als Museum eingerichtet worden war. Damit hatte man einen Strich unter die bisherige Geschichte gezogen, wodurch zugleich auch ein leidiger Hader unter den Gelehrten beigelegt wurde, denn dieser Strich gab ihnen ein unfehlbares Hilfsmittel für ihre Datierungen an die Hand, überhaupt begannen die Menschen um diese Zeit, die Wirklichkeit nach den Möglichkeiten ihrer Beschreibung einzurichten, was manche uns Heutigen noch vertraute Schwierigkeit aus der Welt schaffte. Diese als Museum erklärte Erde wurde nun, wie das in einem Museum natürlich ist, in verschiedene Abteilungen untergliedert, damit sie dem forschenden Auge der Nachgeborenen fasslich entgegentrete. So finden wir neben den Abteilungen für irdische Leibwäsche und vorgeschichtliche Verkehrsmittel die Abteilungen für vermurkste Städte und überholte Meinungen. Außer diesen gab es noch einige höchst interessante und aufschlussreiche Sammlungen zu besichtigen, so eine von Lebensläufen verkannter Genies, eine andere von verspäteten Ratschlägen und eine dritte von Verkehrsvorschriften aus Plastikmasse und Gesetzen aus natürlichem Gummi. Besonderen Zulauf fand immer wieder die Sammlung verkehrt gesetzter Kommas, mit Anhängern versehen, auf denen die näheren Umstände ihrer verfehlten Laufbahn aufgezeichnet standen.

Obwohl damit nur der geringste Teil dessen genannt ist, was es auf unserer Erde zu sehen gibt, wird der Leser ohne weiteres begreifen, dass ein solches Museum ohne ernsten Schaden für den Besucher nicht anders als in geringen Dosen genossen . werden kann. Deshalb soll für diesmal nur eine Abteilung besichtigt werden, indem wir uns der Familie M. anschließen, die nach Auskunft ihres Oberhauptes derjenigen für abgeschaffte Wörter den Vorzug gibt. Allerdings behalte ich mir vor, dem Leser bei anderer Gelegenheit ein Bild auch von dieser oder jener der übrigen Abteilungen oder Sammlungen zu machen.

Falls der Leser nun doch den Vorwurf zu erheben gedenkt, dass meine Geschichte eine Ausgeburt der Fantasie und mit der Wahrheit unvereinbar sei, so bestätigt er mir nur, dass ich nicht gelogen habe, als ich ihm versprach, der Wahrheit gewissenhaft aus dem Wege zu gehen. Ich weiß sehr wohl, dass programmgesteuerte Wildenten und dehnbare Gesetze ohne Fantasie nicht denkbar sind. Aber soll mit doch erst mal einer eine Wahrheit zeigen, die sich ohne Fantasie behelfen kann. Ich lege dagegen meinen Kopf in seine Hände, und das nicht, weil ich ihnen nicht zutraute, ihn ans Messer zu liefern. Für diesmal muss ich aber den Leser bitten, auf eine weitere Erörterung dieses Gegenstandes zu verzichten, denn es ist höchste Zeit, sich wieder zu Mullerowitschs zu gesellen, wenn wir den Weiterflug nicht versäumen wollen. Diesen Flug des näheren zu schildern, halte ich nicht für ratsam, der Leser bekäme durch die Länge der Schilderung nur eine falsche Vorstellung von seiner Kürze, und gehe vielmehr unmittelbar zur Landung auf der Erde über.

Wir kamen bei diesigem Wetter an und begaben uns sofort in das Zentrale Büro für Museumslenkung, über der Tür hing ein großes Spruchband mit der Aufschrift „Willkommen in der Vorgeschichte!" Herr M. kam nicht ganz darüber ins reine, ob dieses Spruchband ein Exponat des Museums oder ein gelungener Scherz war. Im Büro erhielt Familie M. nach heftiger Debatte über genaue Absicht des Besuches und ähnliche Formalitäten ein kleines Heftchen, in welchem die schnellste Verkehrsverbindung zur gewünschten Abteilung sowie einige andere Angaben übersichtlich verzeichnet waren. Die fragliche Abteilung, obwohl einige tausend Kilometer vom Lenkungsbüro entfernt, war in wenigen Minuten erreicht. Diese erstaunliche, für die Erdbesucher jedoch von ihrem neuen Heimatplaneten her gewohnte Personenbeförderung beruhte auf einem wunderbar einfachen System. Die einzelnen Museumsabteilungen waren unter sich und mit dem Lenkungsbüro durch elektromagnetische Ströme verbunden, in deren Sog Fahrgastkabinen mühelos und ohne irgendwelche Hilfsmittel wie Schienen oder Tragflächen hin und her sausten. Mullerowitschs standen also im Handumdrehen vor dem Ziel ihrer Reise.

Auf frohe Erwartung gestimmt, hakte M. seine Frau unter, die Kinder hatten sich bei der Hand gefasst, und man trat in das Vestibül, wo man von einem freundlichen Herrn, Museumsführer seines Zeichens, begrüßt wurde.

Herr M. wird entschuldigen, wenn ich ihn selbst jetzt, da er, um mich eines Bildes zu bedienen, schon den Fuß angehoben hat, um über die Schwelle zu treten, wenn ich ihn noch jetzt am Rockzipfel festhalte, um dir, verehrter Leser, bevor du weiterliest, schnell noch eine Anmerkung zur Person des Museumsführers ins Ohr zu raunen. Dieser freundliche Herr ist nämlich nicht, wie man billigerweise annehmen kann, Sprachwissenschaftler von Profession. Vielmehl haben wir es hier mit einem ausgemachten Philosophen zu tun. Ich sage das nicht, um einer formalen Neugier deinerseits zuvorzukommen, sondern damit du hinter den Ausführungen dieses Mannes, die dir ja nun gleich zu Ohren kommen werden, die gehörige Tiefe vermutest und ihnen das Gewicht beilegst, das sie verdienen. Die Menschen haben nun mal den natürlichen Fehler (weshalb es eine Kunst ist, ihn wegzubringen), nicht mehr zu hören, als sie erwarten, übrigens ist auch nur ein Philosoph imstande, ohne Hilfsmittel und sozusagen mit bloßen Händen die Fragen, die die Besucher gerade in dieser Abteilung stellen, zu beantworten oder auch nur zu ertragen, wie du gleich selber feststellen kannst. Damit lasse ich Herrn Mullerowitschs Rockzipfel fahren und ihn selber mit dem noch immer angehobenen Fuße über die Schwelle treten. Und wir wollen ihm und seinen Angehörigen ohne weiteren Verzug folgen.

Zunächst erklärte der Museumsführer der Familie M und einer mittleren Zahl anderer Besucher, die ungefähr mit uns eingetreten war, dass diese Abteilung der Fülle des Materials halber in verschiedene Kabinette unterteilt sei, so zum Beispiel in das Kabinett „Erziehung und Familie", wo solche Wörter wie Musterknabe, hoffnungsloser Fall, Maulschelle und Individualist oder Ehekrüppel, Scheidungsgrund und Veilchen ausgestellt waren, oder um ein anderes Beispiel zu nennen, in das Kabinett „Haushalt und Bekleidung", wo solche Wörter wie Geschirrabwaschen, Kartoffelschälen, Käsemaden und Fensterkitt oder Schnürsenkel, Kühlschrankreparatur, neue Mode und Reißverschluss aufbewahrt wurden. Während dieser Erläuterungen wurden wir in das Kabinett „Wissenschaft und Kunst" geleitet.

Dem Besucher bot sich das etwas einförmige Bild einer großen Zahl verschiedengestaltiger Glasvitrinen, in denen oft eines allein, nicht selten aber auch zwei oder mehrere Wörter aufbewahrt oder, da es sich ja um abgeschaffte oder zumindest ausgestorbene Exemplare handelte, besser gesagt aufgebahrt worden waren. Unser freundlicher Herr trat auf eine der ersten Vitrinen zu, in der ein einziges Wort auf einem Samtkissen gelagert war, und stellte sich halb seitwärts vor das Ausstellungsstück. Wir konnten jetzt sehen, dass an der vorderen Kante des Tischchens, auf dem die Vitrine ruhte, eine mäßig große Tafel angebracht war, auf welcher der Lebenslauf, will heißen Geburt, hauptsächliche Schicksale sowie Todesursache und Zeitpunkt des Hinscheidens des hinter dem Glase ruhenden Wortes verzeichnet waren.

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