Über Hiddensee ist schon oft, ja mehr als genug geschrieben worden. Doch ohne das söte Länneken wäre eine Darstellung unserer Ostseeküste nicht nur unvollständig, sondern auch tadelnswert. Vor hundert Jahren, als sich die meisten Küstenorte schon voll auf das Badewesen eingestellt hatten, zählte Hiddensee allerdings noch zu den unberührten Gebieten. Nur selten verirrte sich ein Fremder auf dieses Eiland. Inselpastor Arnold Gustavs, einer der besten Hiddenseekenner und -schilderer, erzählt von einem Mädchen, das sich bei Urlaubsende mit einem dankbaren Auf Wiedersehen von seinem Quartierwirt verabschiedete. Ne, Fräulein, orakelte der Fischer traurig, Sei kamen nicht wedder. - Aber warum denn nicht? fragte es. Sei starben öwer Winter bestimmt an Rheumatismus.
Die Einwohner zeigten damals für die sonderbaren Gewohnheiten der Gäste kein Verständnis. Dass man sich waschen musste, war einzusehen. Aber doch nicht jeden Tag! Und dann noch am ganzen Körper! Und obendrein im freien Wasser anstatt in einer Pütt! Es war dagegen ratsam, an der rauen See immer warm angezogen zu sein, am besten auch im Sommer mit fester Segeltuchhose und schafwollenem Pullover. Aber daran hielten sich die Fremden ebenso wenig wie an die Vorschrift, sich nur in Strandhütten umzuziehen und dann in schicklicher Badebekleidung den Strand zu betreten. Im Gegenteil, sie lagen, spazierten oder sprangen auf dem damals noch breiten Sandstreifen an der Hucke bei Kloster nur dürftig oder überhaupt nicht bekleidet herum und hockten wie Affen hoch oben auf dem Kliff. Man ließ sie gewähren, denn sie brachten den Fischern zusätzliche Einnahmen und ordneten sich dem Inselleben und der Natur unter. Letzteres ist von den späteren Hiddenseegästen nicht immer zu vermelden.
Die allerersten Fremden, die die Insel betraten, waren Zisterziensermönche, die hier 1296 ein Kloster erbauten. Sie unterhielten den 1306 von den Stralsundern auf dem Südende der Insel errichteten Leuchtturm, betrieben ansonsten aber nur Feldbau und Fischfang. Nach der Reformation im 16. Jahrhundert verfiel das Kloster und wurde während des Dreißigjährigen Krieges völlig vernichtet. Der Dänenkönig Christian V. zerstörte aber nicht nur die klösterlichen Anlagen, er wollte auch die Eichen- und Buchenwälder, die damals die ganze Insel überzogen, für seinen Schiffbau nutzen. Das wiederum missfiel Wallenstein, Gegner der Protestantischen Union, und er ließ den Waldbestand niederbrennen. Solche und andere Gäste haben der Insel und ihren Bewohnern nichts als Schaden zugefügt; sie sind sicher mitschuldig an dem überlieferten Misstrauen, das die Hiddenseer den Fremden bis heute entgegenbringen.