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Sechs Stare saßen auf der Mauer. Kriminalgeschichte für Kinder von Kurt David
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Preis E-Book:
5.99 €
Veröffentl.:
27.04.2023
ISBN:
978-3-96521-912-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 89 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Krimis und Detektivgeschichten, Kinder-und Jugendbuch/Gesetz und Verbrechen, Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Vögel, Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Kühe, Kinder-und Jugendbuch/Jungen und Männer, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Eltern, Kinder-und Jugendbuch/Schule und Bildung, Kinder-und Jugendbuch/Politik und Regierung
Kinder/Jugendliche: Krimis, Kinder/Jugendliche: Familienromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Familie
LPG, DDR, Brand, Brandstiftung, Fußball, Kripo, Flugblätter, Rinderstall, Schule, Krimi
10 - 12 Jahre
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In diesem Augenblick fährt ein dunkelgrüner Personenkraftwagen in den Hof.

Die Kriminalpolizei.

Der WARTBURG rollt hinüber zum Rinderstall. Türen werden zugeschlagen. Drei Männer stehen im Hof, das Gesicht zur Brandruine gewandt. Vorn steht einer, der hat zwei Fotoapparate über die Schulter gehängt. Die beiden anderen tragen schwarze Köfferchen.

Der Vorsitzende Lohr, Parteisekretär Schwarz und Herr Häberlein treten aus dem Haus und gehen auf die drei Kriminalisten zu.

Die Männer verschwinden im ausgebrannten Rinderstall.

Werner hat sich schnell angezogen.

Es ist sieben Uhr. Dreiviertel zehn muss er mit Hans zur Schule. Werner saust die Treppe herunter, immer zwei Stufen auf einmal. Auf dem Küchentisch liegen Schwarzbrotschnitten, daneben steht ein blaugepunkter Henkeltopf mit warmer Milch. Er isst hastig, will hinüber zum Stall. Vielleicht wissen die schon etwas?

Im düsteren Hausflur trifft er Hans, der kauend und schmatzend flüstert: „Du, die Kripo ist da. Jetzt geht’s aber rund, mein Lieber, die Kripo!“

„Meinst du?“

„Möchtest du zur Kripo?“ Und ohne eine Antwort überhaupt abwarten zu wollen, redet Hans weiter: „Ich – ja, ich möchte zur Volkspolizei. Was die für Apparate und so’n Zeug haben, die kriegen alles raus. Spannend, sage ich dir. Wirst sehen, zu Mittag wissen sie schon ungefähr, was los ist. Und dann: Gnade dem, der das gemacht hat.“

„Apparate?“

„Zum Beispiel Quarzlampen und so’n Zeug. Und dann haben die eine Art Heftpflaster, weißt du, das ist zwar keins, sieht aber so aus. Damit nehmen sie Fingerabdrücke von Glasscheiben und Türen. Und Pistolen haben die!“

Werner lächelt. Er weiß, bei Hans ist das immer so. Der will jeden Tag etwas anderes werden. Einmal Sportlehrer, einmal Chemiker, und kommt die Volksarmee durchs Dorf gerattert, will er zu ihr, natürlich zu den Panzern, und ist der Tierarzt auf der LPG, behauptet er selbstverständlich, nichts anderes als Tierarzt werden zu wollen. Mich wundert bloß, denkt Werner, dass er gestern Abend, als die Feuerwehr da war, nicht gesagt hat, er will zur Feuerwehr.

Nebeneinander gehen sie über den Hof.

Nein, Werner will nicht zur Volkspolizei. Seine Liebe gilt der Natur, dem Wald und den Tieren. Er möchte Förster werden.

Viele freie Nachmittage verbringt Werner oben hinterm Sandberg im Eulenwald. Er weiß genau, wie viel Rehe und Böcke zum Bestand gehören. Überhaupt kennt er alle Tierarten, die sich dort aufhalten.

Werner hat stets ein kleines Notizbuch in der Tasche, in das er einträgt, was er beobachtet hat.

Zum Beispiel: „23. 9. Bussardpaar gegen neunzehnuhrdreißig beobachtet.“ Oder: „28. 12. Drei Regenwürmer am Südhang in der Sonne, es taute!“ Oder: „2. 8. Kolossaler Sturm. Kein einziger Vogel lässt sich sehen. Sitzen alle in den Fichten, dicht am Stamm.“

Hans Zielansky begleitet seinen Freund manchmal auf seinen Streifzügen, aber nur, wenn Werner verspricht, am nächsten Tage mit ihm zum Sportplatz zu gehen. Und das Notizbüchlein nennt Hans ironisch Tierbibel.

Grad als sie beim Rinderstall angekommen sind, zucken grelle Blitzlichter auf. Ein großer, starker Mann, der Unterleutnant der VP, Prink, fotografiert die Brandruine. Am Eingang zum Stall steht ein kleinerer Herr, etwas dick und füllig. Das ist Hauptwachtmeister Busch. Er sieht lustig aus und zwinkert den Jungen zu, als wollte er sagen: Neugierig?

Herr Zielansky schnauzt: „Verduftet euch und steht nicht im Weg!“ Er ist ebenso mürrisch wie am Abend zuvor.

„Aber Kollege“, sagt der Hauptwachtmeister, „nun lassen Sie man die Jungen schön da. Uns stören sie nicht. Und neugierig sind auf der Welt nicht nur die Kinder.“

Daraufhin spuckt Herr Zielansky ärgerlich in eine große Pfütze und knöpft den obersten Hemdknopf auf. „Ich geh mal raus zur Koppel“, sagt er.

In der Koppel grasen die Rinder. Stumm und reglos, den Kopf zum Hof gerichtet. Nicht eins schaut nach der Seite. Werner weiß, das tun sie auch dann, wenn sie auf der Weide sind und es stark regnet. Dann gucken sie auch in den Hof hinüber und warten. Sie spüren, dass bald einer über den Feldweg kommen wird und sie hereinholt.

An diesem Morgen kommt keiner, und an diesem Morgen holt sie auch niemand.

Hans flüstert: „Mit meinem Vater ist seit gestern Abend überhaupt nicht zu reden. Heut früh hat er die Mutter schon angeschnauzt, bloß weil der Kaffee zu heiß war.“

Hans erzählt aber nicht, dass sein Vater gestern Abend vor dem Foto des neuen Rinderstalles gestanden hat und mit sich selbst sprach: „So viel Einwohner haben uns beim Bau geholfen, freiwillig. Was werden die jetzt sagen? Wenn nun gar die Schuld noch bei uns liegen sollte? Sie werden sagen: So wollt ihr vollgenossenschaftlich werden?“

Hans dachte: Wieso soll die Schuld bei uns liegen? Und die anderen Bauern, die noch nicht zur LPG gehören? Seht nur, werden sie behaupten, so wirtschaften die, so ludern die rum, dass die Buden abbrennen, und da sollen wir eintreten?

Unterleutnant Prink und Parteisekretär Schwarz schleppen eine lange Leiter in den Stall, schieben sie mit der Spitze durch ein Loch in der Decke und lehnen sie an den Innengiebel.

Die Kriminalisten sind jetzt allein. Busch wendet sich zu den Jungen: „Aber in den Stall kommt ihr nicht, verstanden?“

Und der andere sagt: „Fangen wir an!“

Der Unterleutnant rafft den schwarzen Ledermantel vorn zusammen und steigt die Leiter hinauf. Die anderen klettern nach. Angekohltes Heu und staubige Spreu trudeln von oben durch die Luken.

Herr Häberlein ist noch einmal zurückgekommen und fragt mürrisch: „Wann musst’n überhaupt zur Schule?“

„Dreiviertel zehn!“

Er geht fort, als habe ihn die Antwort überhaupt nicht interessiert. Werner sieht hinter seinem Vater her, beobachtet, wie er mit seinen Gummistiefeln durch die Pfützen platscht, als wären sie nicht da. Ihm tut der Vater plötzlich leid.

Sechs Stare saßen auf der Mauer. Kriminalgeschichte für Kinder von Kurt David: TextAuszug