Der Seesack war ganz schön schwer, hat meine Oma erzählt, als Opa eines Tages ihn in die Wohnung wuchtete. Brot und Konserven hatte er auch mitgebracht. Und ganz zuletzt holte er den Kompass raus. Oma hat vielleicht Augen gemacht. Kannst du dir ja vorstellen. Noch ein paar Konserven wären ihr lieber gewesen. Aber dann hat Opa ihr alles erzählt. Und da hat sies schon verstanden.
André hatte vom Zuhören eine kühle Nasenspitze bekommen. Sein Gesicht aber glühte.
Was dein Opa da eingeritzt hat, das konnte man heute noch lesen?
Na, was denkst du denn. Mit einem spitzen, scharfen Messer richtig eingeritzt, das hält doch ewig.
André seufzte. Ja, der Kompass hat einen Wert, der nicht mit Geld zu bezahlen ist.
Was seufzt du denn so?, fragte Marina.
Ich denk an den Kompass. Der muss doch wieder her. So ein Stück. Das ist doch das ist doch Geschichte. Der kann doch nicht irgendwo vergammeln.
André war wieder aufgesprungen. Die Hände hatte er in die Taschen gestoßen.
Der Kompass gehört auf das neue Schiff. Klar. Auf die Kommandobrücke muss er. Wir müssen ihn finden.
Marina saß ganz still am Tisch. Sie sah zu dem Jungen auf und bewunderte ihn in diesem Augenblick sehr.
Doch man kann nicht länger als ein paar Minuten so sitzen und bewundern. Dann meldet sich wieder der Verstand.
Er ist weg. Gestohlen. Wir wissen nicht mal, wann das war. Es kann gestern passiert sein. Aber vielleicht auch schon vor drei Wochen, sagte Marina mutlos.
Und die Polizei?, fragte André.
Marina winkte ab.
Was soll die Polizei? Was können wir denn sagen. Das sagt meine Oma auch. Er ist weg. Und was noch?
Ja, sagte André, keine Spuren. Nichts. Was soll man da schon machen.
Nun saßen die beiden wieder schweigend am Tisch. Die Sonne war höher geklettert und heizte tüchtig ein.
Wollen wir ins Freibad?, fragte Marina.
Das wär schon was, meinte André.
Aber er rührte sich nicht von seinem Platz, und auch Marina machte keine Anstalten aufzustehen.
An der Wäscheleine hing ein roter Badeanzug.
Deine Oma ist traurig, was?, fragte André.
So ein Lump, der den Kompass gestohlen hat. Was hat er davon? André stützte seinen Kopf in beide Hände und beugte sich vor.
Und wenn wir nachforschen?
Hoffnung zeigte sich im Gesicht des Mädchens, aber nur ganz kurz. Was sollen wir schon ausrichten, André
Der Junge aber sagte eifrig: Du kennst doch alle Leute hier. Stell dir vor, wir finden eine Spur. Man kann doch nicht wissen.
André lebte schon in der Welt abenteuerlicher Spurensuche und Verbrecherjagd. Er sieht, wie er jemand verfolgt. Er lauert hinter Büschen. Und irgendwo ist der alte Kompass verborgen. Dann hält er ihn in der Hand und sucht die Inschrift. Marinas Oma überreicht er das kostbare Stück. Oma Buchholz kann nicht sprechen, so freut sie sich. Marina steht neben ihm und sagt: Der André hat nicht aufgegeben. Und André wird eingeladen, als das neue Schiff der Volksmarine den Namen Wilhelm Buchholz bekommt. Oma Buchholz muss die Sektflasche werfen, das kennt André, denn er war schon zweimal dabei, und er wird dem Kommandanten den Kompass übergeben. Natürlich wird er zu einer kurzen Ausfahrt eingeladen. Natürlich werden Marina und er auf der Kommandobrücke stehen. Zu der alten Geschichte des Kompasses wird die neue erzählt werden
Und die ist auch aufregend.