In der Provinz Cavite hatten die Aufständischen ihre größten Siege errungen, hier erlitten sie im Frühjahr 1897 ihre schwersten Niederlagen. Der Grund dafür lag nicht allein in der gewachsenen militärischen Kraft der Spanier, sondern auch in dem Zerwürfnis der revolutionären Führer von Cavite. Emilio Aguinaldo und seine Freunde begannen offen ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Von den anfänglichen Erfolgen berauscht, sahen sie sich bereits als die neuen Herrscher der Philippinen. Sie strebten nach persönlicher Macht und nach Reichtum. Dafür waren sie bereit, sich unter gewissen Umständen auch mit den bestehenden Herrschaftsverhältnissen zu arrangieren. Doch vorerst ging es für sie darum, Andres Bonifacio und seine Katipunan auszuschalten. Es kam den Männern um Magdalo sehr gelegen, dass sich Andres Bonifacio in Cavite aufhielt. Die Massen der Aufständischen kannten ihn hier nicht. Das Gesetz der Illegalität hatte Andres Bonifacio bis zum Beginn des Aufstandes gezwungen, im Dunkel der Anonymität zu bleiben. Mit seinem Namen waren keine Heldentaten, keine Siege verbunden. Für die Aufständischen von Cavite war Emilio Aguinaldo der Held der Revolution. Es wäre ein leichtes gewesen, Bonifacio fast unauffällig auszuschalten, wenn nicht der Provinzrat Magdiwang treu zu ihm gestanden hätte. Es kam zu heftigen Kontroversen zwischen den Provinzräten von Cavite. Bonifacio, der hierher geeilt war, um zwischen den beiden Gruppen zu vermitteln, musste bald erkennen, dass der Provinzrat Magdalo diese Vermittlung gar nicht wollte. Die Leute um Emilio Aguinaldo weigerten sich, mit Magdiwang gemeinsam gegen die Spanier zu kämpfen, die militärischen Aktionen zu koordinieren, solange ihr Führungsanspruch nicht anerkannt wurde.
Am 31. Dezember 1896, einen Tag nach der Erschießung José Rizals, trafen sich die Führer der Katipunan von Cavite mit Andres Bonifacio in Imus. Gleich zu Beginn der Konferenz schlug Baldomero Aguinaldo, der Vetter von Emilio, vor, eine revolutionäre Regierung zu schaffen. Die alte Katipunan sei den neuen Aufgaben nicht mehr gewachsen. Die Führer von Magdiwang widersprachen sofort entschieden. Sie erklärten, die Katipunan habe eine Verfassung, auf deren Grundlage in und um Manila bereits Provinz- und Stadtregierungen arbeiteten. Es sei keine Notwendigkeit erkennbar, die Katipunan durch eine neue Regierung zu ersetzen. Und wenn schon eine neue Regierung, wie Magdalo das wünschte, dann nur unter der Präsidentschaft von Andres Bonifacio, der das Recht haben müsste, seine Minister zu ernennen. Die Leute um Aguinaldo protestierten heftig. Nichts erschien ihnen schrecklicher als dies. Sie beharrten auf ihrer Position, die Führer kehrten in ihre Kampfgebiete zurück.
Angesichts dieser Situation beschloss Andres Bonifacio, in Cavite zu bleiben und Emilio Jacinto die Führung der Kämpfe in Morong zu übertragen. Er ahnte das heraufziehende Unheil und wollte sich ihm entgegenstellen. Jetzt erkannte er, dass die Katipunan hätte stärker zentralisiert werden müssen. Überall tauchten Führer auf, die ihre eigenen Suppen am Feuer der Revolution kochten, Männer, denen die Idee der Katipunan fremd geblieben war. Sie würden die Revolution zugrunde richten. Das Volk kämpfte auf Leben und Tod gegen die Spanier, und sie dachten an nichts anderes, als eine Regierung zu wählen. Aber das war nur ein Vorwand, um auf scheinbar demokratische Weise die führenden Positionen an sich zu reißen. Alles andere sollte beim alten bleiben: die Ausbeutung der Bauern, die Korruption, die Vetternwirtschaft. Das hatte Andres Bonifacio nicht gewollt. Noch wagten Emilio Aguinaldo und seine Männer nicht, Bonifacio offen anzugreifen. Sie verkündeten, laut oder flüsternd, die Katipunan sei von der Zeit überholt, eine Geheimorganisation, die den Bedingungen des offenen Kampfes nicht mehr entspräche. Eine neue Verfassung und eine neue Regierung müssten her. Aguinaldo selbst hielt sich im Hintergrund, er ließ andere seine Gedanken verbreiten. Und diese Gedanken fanden Gehör bei den einfachen Kämpfern, die ihre Nasenspitzen noch niemals über die Provinzgrenzen hinausgesteckt hatten und glaubten, Cavite sei die Welt und Aguinaldo ihr Gott.
Andres Bonifacio stellte sich die schwere Aufgabe, die beiden Provinzräte von Cavite im Kampf gegen die Spanier zu einen und gleichzeitig den Führungsanspruch der Katipunan aufrechtzuerhalten. Denn die Katipunan war die einzige Organisation, die entschieden die Interessen des philippinischen Volkes vertrat. Sie durfte nicht zerschlagen werden.
Unbarmherzig hart waren die Tage und Wochen, die jetzt auf Andres Bonifacio zukamen. Die Offensive der Spanier begann. Die sich zuspitzenden Reibereien zwischen den beiden Provinzräten verhinderten ein gemeinsames Oberkommando. Die Aufständischen zersplitterten ihre Kraft. Hartnäckig bestand Aguinaldo auf der Wahl einer neuen Regierung, ebenso hartnäckig weigerten sich die Revolutionäre von Magdiwang, einer solchen Wahl zuzustimmen. Es geht nicht um Wahlen, argumentierten sie, sondern um den Bestand der Revolution. Bonifacios Sympathie war auf Seiten von Magdiwang. In einem Brief an Emilio Jacinto schrieb er im Februar 1897: Magdalo (das war nicht nur der Deckname des Provinzrates, sondern auch der von Emilio Aguinaldo) will alle Filipinos führen und ist davon überzeugt, dass keine außer der Regierung in Imus weder hier noch in Europa als rechtmäßige Regierung angesehen wird. In diesem Brief heißt es weiter: Der Egoismus von Magdalo ist wahrhaftig abscheulich und ein Grund vieler Niederlagen auf den Schlachtfeldern.
Nun, da sich Andres Bonifacio in Cavite befand und hier an den Kämpfen gegen die Spanier teilnahm, hielten seine Gegner höchste Eile für geboten. Sie mussten so schnell wie möglich handeln, um den linken Flügel der Revolutionäre empfindlich zu schwächen und damit ihren eigenen Führungsanspruch zu verwirklichen.
Mitten im härtesten Kampf gegen die Truppen Polaviejas begann gegen den Präsidenten der Katipunan ein wildes Kesseltreiben. Seine Feinde gingen dabei äußerst geschickt vor. Sie griffen ihn nicht frontal an, sondern suchten zuerst Schritt für Schritt seine Glaubwürdigkeit und moralische Integrität bei den einfachen Kämpfern zu untergraben. Plötzlich tauchten anonyme Pamphlete auf. Gerüchte verbreiteten sich in Windeseile: Einem Mann wie Andres Bonifacio dürfe man keinen Respekt entgegenbringen. Er sei ein Freimaurer, ein Atheist, dem nichts heilig sei. Ein kleiner Arbeiter in einer deutschen Firma, der nicht einmal seinen eigenen Namen schreiben könne. Andres Bonifacio ahnte, wer der Urheber dieser Verleumdungen war. Er versuchte, den Stier bei den Hörnern zu packen, und stellte Daniel Tirona, einen engen Freund Aguinaldos, zur Rede. Daniel Tirona hatte ihm schon früher offen seine Verachtung gezeigt und sich dagegen ausgesprochen, dass Männer ohne höhere Bildung Führungspositionen in der Katipunan einnahmen. Daniel Tirona stritt rundweg ab, dass er etwas mit den Verleumdungen zu tun hatte. Andres Bonifacio wusste, dass Tirona log, aber er wusste kein Mittel, sich zu wehren.
Gerüchte, einmal in die Welt gesetzt, verfehlen ihre Wirkung selten. Die einfachen Kämpfer von Cavite begannen, den hartnäckig kursierenden Verleumdungen Glauben zu schenken oder zumindest Zweifel an Bonifacio zu hegen. Verwirrung und Unruhe schlichen sich in die Reihen der Katipuneros ein, und das zu einer Zeit, da die Offensive Polaviejas an Stärke zunahm und die ersten Siege verzeichnete.
In blutigen Kämpfen fielen im Februar und März 1897 die Städte Silang, Dasmarinas, Imus, wurden die aufständischen Cavitenos von Batangas im Süden, Laguna im Osten und Morong im Norden abgeschnitten und Meter um Meter zusammengedrängt. Die philippinischen Freiheitskämpfer vergossen ihr Blut, verloren ihr Leben, aber die Besitzenden hielten aus Geiz und aus Furcht vor den Spaniern das Ihrige zusammen. Keinen Centavo waren sie bereit herzugeben, um die Witwen und Waisen der Gefallenen zu unterstützen. Darüber aufs Äußerste erbittert, befahl Andres Bonifacio, das Eigentum aller Reichen zu konfiszieren, die sich weigerten, mit der Katipunan zusammenzuarbeiten. Außerdem sollten sie festgenommen, gefesselt und ins Lager der Aufständischen gebracht werden. Diese Methode hatte Erfolg. Die Reichen gaben lieber einen Teil ihres Besitzes als alles, vielleicht sogar ihr Leben zu verlieren. So konnte den Soldaten ein kleiner Sold ausgezahlt und den Witwen und Waisen geholfen werden. Die Kommandeure hingegen erhielten nur Kleidung und freies Essen.
Die Reichen vergaßen Andres Bonifacio diesen Schritt nicht. Die Intrigen gingen weiter, verschärften sich und hemmten den Kampf empfindlich. In dieser mit jedem Tag unerträglicher werdenden Situation verlangten die Führer von Magdiwang eine neue Zusammenkunft der Revolutionäre von Cavite. Wichtigster Gesprächspunkt sollte ein besseres militärisches Zusammengehen gegen den gemeinsamen Feind sein.