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„Wir lachen, weil wir weinen“.Im Brennpunkt: Nordirland von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
02.11.2020
ISBN:
978-3-96521-276-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 229 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Politik, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Kurzgeschichten
Reportagen und journalistische Berichterstattung, Tatsachenberichte: Kriege und Schlachten, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Tod, Trauer, Verlust, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Nordirland, 1970 bis 1979 n. Chr.
Irland, Nordirland, Belfast, Großbritannien, IRA, Katholiken, Protestanten, UVF, Terror, Aufstand, Armut, Arbeitslosigkeit, Widerstand, Kommunisten
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Am folgenden Sonntag lenkten auf der achten Seite des Sunday Call vier große Fotos und eine von Alex McMurray in Sekunden festgelegte Balkenüberschrift „BULLDOZER ZERSTÖREN DIE SEELE DES SHANKILL” die Aufmerksamkeit der Leser auf das Schicksal von drei alten Bewohnern dieser Stadtgegend, vor allem aber auf einen Mr. Samuel Herbert, der vierundfünfzig Jahre lang in seinem erbärmlichen, von Feuchtigkeit durchdrungenen Häuschen ausgehalten hatte und sich voll Sorge darüber beklagte, dass er im Alter noch entwurzelt werden sollte.

„Hätte man mir vor Jahrzehnten eine bessere Wohnung geboten, das wäre was gewesen! Jetzt ist die Umstellung zu schwer, und ich mag nicht mehr weg.”

Shankills Fortingale Street, in der nur noch sechs Familien wohnten, hatte gespenstisch und verlassen dagelegen, die Fenster und Türen der meisten Häuser waren zugemauert, in den Dächern klafften Löcher, Schutt und Gerümpel versperrten die Bürgersteige. Der kleine Kamin in Mr. Herberts Wohnzimmer blakte und füllte den Raum mit Rauch. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das Fenster, die Tageszeit war schwer zu bestimmen, und der alte Mann sah aus, als habe er ein Leben lang im Dunkeln gehockt – kränklich, übermäßig hager und blass. Dabei arbeitete er noch, war als Kassierer einer Gasgesellschaft viel im Freien und berichtete kopfschüttelnd, wie gefährlich in letzter Zeit sein Beruf geworden sei. Er war vor Überfällen nie sicher und schon wiederholt seines Geldes beraubt worden.

Davon allerdings stand nichts in meinem Artikel, es gehörte nicht zur Sache. Zur Sache aber gehörten Mr. Herberts Vorwürfe gegen die Häusermakler, die sich jahrzehntelang bereichert hatten, ohne je an die Nöte der Mieter zu denken. Alex McMurray musste erwartet haben, dass ich darüber berichten würde, und strich keine Silbe davon, er ließ auch Worte wie Gespensterstraße, Vergewaltigung der kleinen Leute und Plünderei stehen, so dass am Ende doch der Zweck erfüllt wurde, an dem uns beiden gelegen war – das Brandmarken von Zuständen, die nicht erst heute, sondern schon vor Generationen hätten behoben werden müssen.

„Helfen Sie mir bitte!”, hatte Mr. Herbert eindringlich gebeten. „Ich will nicht mehr umziehen, sondern sterben, wo ich ein Leben lang zu Hause war!”

Für den inzwischen vierundsiebzigjährigen Mann, dessen Frau schon seit langem nicht mehr lebte, war der Gedanke an eine Einzimmerwohnung im zwölften Stock eines Wohnblocks in fremder Umgebung unerträglich.

„Der Komfort kommt zu spät. Jetzt ist es, als verbanne man mich in ein Grab in luftiger Höhe!”

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