Die rollenden Häuser und Hütten nahmen zu, je weiter der Tag fortschritt. Sie kamen mit Gebrumm aus beiden Richtungen, und manchmal stießen sie auch ein gequetschtes Gebrüll aus, um den Mann mit dem Esel auf sich aufmerksam zu machen.
Anfangs drückte sich Nasreddin ganz weit an den Straßenrand, und es suchten ihn Angstschauer und Gänsehaut heim. Aber sehr bald hatte er sich mit der neuen Situation abgefunden, sich überzeugt, dass diese Dinge trotz ihres respektablen Äußeren und angsteinflößenden Getöses harmlos und im Ganzen dumm waren, eben wie Häuser, und von ihnen keinerlei Gefahr ausging, wenn man sich ihnen nicht in den Weg stellte.
Nasreddin winkte sogar schon zurück, wenn ihn Insassen grüßten.
In dem Maße, wie er sich an sein neues Dasein gewöhnte, fand er Gefallen am wiedergewonnenen Leben, und es störte ihn nicht im Geringsten, dass so viel Unerklärliches um ihn herum geschah. Satt und im Grunde zufrieden und mit nachklingender Freude, davongekommen zu sein, ritt er einher, ließ den Esel laufen, wie es dem gefiel, und sang. Fehlten ihm da und dort die Worte, setzte er neue ein. Immer aber waren es solche, die sein Geschick priesen.
Rechterhand hörte das Hirsegebiet plötzlich auf. Knie- bis hüfthohe Stauden standen in Reih und Glied mit weißen Bäuschen an den Ästen, manchmal mit großblättrigen gelben Trichterblüten oder grünen strotzenden Kapseln.
Beim ersten Anblick hätte Nasreddin geschworen, es sei Baumwolle. Als er aber die riesige Fläche überschaute und sich erinnerte, dass er sich nicht in seiner Heimat, sondern in der Oase Choresm befand, dort niemals Baumwolle gezogen wurde, begann er zu zweifeln. Er stieg ab, vergewisserte sich: es war Baumwolle. >Gut, ist es eben Baumwolle und viel Baumwolle.< Nasreddin hatte eine Handvoll gepflückt, warf sie in den Wind, der leicht über das große flache Feld wehte. Im Aufrichten gewahrte er weit zum Horizont zu, gegen eine schwärzliche Buschgruppe, blaue Kästen, die emsig im Feld umherwanderten, und ihm war, als seien hinter ihnen dunkle Streifen im sonst insgesamt weißlichen Wolleflor. Wenn er sich anstrengte, glaubte er auch ein Brummen von dorther zu vernehmen.
Nasreddin saß auf. Vor ihm, noch fern, stieg Rauch aus der Ebene. Wo Rauch ist, sind Menschen<, dachte er. >Und wo Menschen sind, ist Leben.< Denn langsam ging ihm diese endlose Straße mit ihrem ewig gleichbleibenden schwärzlichen Belag, ihrem Staub und ihrer Geradheit auf die Nerven. Und daran änderte auch nichts, dass sich zu den fahrenden Häusern und Hütten noch eine Vielzahl anderer rollender Merkwürdigkeiten gesellt hatte: riesenhafte Karren, kleinere auch, Fässer, aus denen Timurs gesamtes, stets durstiges Heer einen ganzen Tag wohl hätte trinken können. Und die Formen dieser Dinge, die da ihre Bahnen zogen, waren sehr unterschiedlich, auch die Farben. Aber - sie waren eben gleichgültig, die Bauten und die Menschen darin. Niemand nahm Notiz von dem Mann mit dem Esel, nichts, außer er bezog das gelegentliche Brüllen auf sich, und manchmal sah er deutlich den Bogen, den die Kästen um ihn und den Esel beschrieben, wenn sie auswichen. Man konnte sich da schon verloren und nichtig vorkommen.
Dann war da der Kischlak! Nasreddin atmete auf, glitt vom Esel, führte ihn hinunter von der Straße, auf einen lehmstaubigen Weg, mitten hinein zwischen die Häuser. Er atmete deshalb befreit auf, weil er endlich wieder auf Bekanntes traf, hier fühlte er sich wohler als zwischen diesen eisernen Kästen da draußen, hier standen die Häuser ohne Räder fest verwurzelt mit dem Boden, hatten die vertraute gelbliche Farbe des Lehms, in dem das eingebackene Stroh dort, wo die Sonne es traf, ein freundliches Glitzern hervorzauberte, als sei es ein schmückender Schleier.
Nasreddin wanderte langsam, sah nach links und rechts. Ja, da war Leben. Magere Hunde strichen über die Wege, er hörte Kindergeschrei hinter den Mauern, sah die Kleinen tollen. Zwei Männer, in ein angeregtes Gespräch vertieft, begegneten ihm, im Chalat und mit der Tjubeteika auf dem Kopf, dem Käppchen, das man in Choresm trug.
Und als Nasreddin grüßte, antworteten sie »Salam!«