Eines Vormittags kommt Besuch zu Menzel, ein Herr in Zylinder und dunkelgrauem Frack, mit wichtiger Miene und einer großen Tasche. Menzel fragt erst ganz genau, was er ist und was er möchte, und auch dann lässt er ihn nicht gern eintreten, denn vormittags möchte er nicht gestört werden, und der Besucher gefällt ihm nicht. Und der Auftrag, den sein Gast umständlich erklärt, gefällt ihm zuerst auch nicht.
Ein Bild mit dem Schloss Sanssouci soll er malen. Der Herr im Zylinder will es dem König schenken, er habe allen Grund, sich dem König gegenüber dankbar zu erweisen, versichert er immer wieder.
Sie haben sich viel mit der alten Zeit beschäftigt, Herr Menzel. Sie sind der richtige Mann für mich.
So, meinen Sie?, knurrt Menzel. Ich habe gehört, dass unser König die alte Friedrich- und Sanssoucizeit nicht gerade liebt. Wird ihm da ein Sanssouci-Bild gefallen?
Warum nicht? Es kommt nur darauf an, wie es gemacht ist. Malen Sie die Landschaft, die Architektur, den Reichtum. Sie sollen das Palais des Prinzen Albrecht gemalt haben. Darf ich das Bild einmal sehen?
Menzel holt es aus seinem Regal und kommt mit umwölkter Miene zurück, denn sein Blick hat wieder einmal das Bild mit der Aufbahrung der Märzgefallenen gestreift. Und nun ein Bild für den König?
Ein großartiges Bild, schwärmt der Besucher. Wenn Sie das Schloss Sanssouci vielleicht in dieser Art malen könnten?
So mit Wolken und Bäumen, meinen Sie? Und mit viel Stimmung?
Ja. Der Mann nickt. So habe ich es mir gedacht.
Dann verhandeln sie über den Preis und den Termin, aber Menzel ist nicht so recht bei der Sache. Er merkt gar nicht, dass sich der Besucher verabschiedet und geht, denn ihm ist etwas eingefallen. Pah, was kümmern ihn Wolken, Stimmung und Bäume mit einem alten Bauwerk dahinter, er wird etwas ganz anderes malen! Das lebendige Sanssouci. Er wird es diesem König, der nichts mit seinem Vorfahren Friedrich zu tun haben will, zeigen! Menzel kennt sich in der Friedrichzeit so gut aus, dass er sich schon im Traum in ihr zurechtfindet. Und inzwischen hält er seine eigenen Träume für die schöne farbenfrohe Wahrheit; glaubt, dass es bei seinem Alten Fritzen, bei Friedrich II., keine Aufbahrung von Märzgefallenen oder so etwas ähnliches gegeben hätte; meint, dass die Welt von Sanssouci besser gewesen ist als die von 1848. Mit diesen Träumen von einer besseren Vergangenheit verscheucht er immer wieder den schrecklichen Anblick der Märzgefallenen in ihren Särgen auf den Domstufen. Daran war der jetzige König schuld! Dem werde ich es zeigen, denkt Menzel, schließt die Augen und sieht ein prächtiges Bild vor sich. Der soll Augen machen!
Menzel ist so begeistert von seinem Plan, dass er das Gemälde, an dem er gerade arbeitet, von der Staffelei nimmt. Jetzt muss er sich sofort dem neuen Bild zuwenden. Was soll er zuerst tun? Nach Potsdam fahren? Seine Zeichnungen durchstöbern, nach geeigneten Motiven suchen? Ins Museum gehen, alte Bilder, alte Uniformen und Kleider betrachten? Zeichnen?
Am besten zuerst einmal nachdenken, die Gedanken gut ordnen und einen Entwurf ins Auge fassen.
Menzel verschränkt die Hände auf dem Rücken wie immer, wenn er keinen Zeichenstift anfassen will. Er läuft nachdenkend auf und ab. Plötzlich reißt er am Klingelzug. Das tut er selten, denn in seinem Atelier will er nicht gestört sein. Die Haushälterin kommt gerannt.
Ist was passiert, Herr Menzel?
Ja, kochen Sie mir Kaffee. Aber starken.
Jetzt am Vormittag? Sind Sie krank?
Nee, im Gegenteil. Menzel lacht.
Gehen Sie denn heute nicht zum Mittagessen?
Nee. Nun beeilen Sie sich schon mit dem schwarzen Zeug! Den Kaffee braucht er jetzt. Menschenskinder, das ist aber auch ein Plan, einfach zum Verrücktwerden! Das muss ein ganz besonderes Bild werden, nicht nur eins zum Üben und Ausprobieren.
Ja, er wird das Schloss Sanssouci malen, aber nicht von außen, sondern von innen. Und nicht das Schloss soll das Wichtigste sein, sondern seine Bewohner. Er wird sie bei einem Konzert darstellen. Friedrich selbst wird die Flöte blasen. Ein solches Bild aber hat der Besucher ja nicht bestellt. Na, und wennschon. Menzel hat ja noch kein Geld von ihm genommen, obgleich der Mann gesagt hat: Wenn Sie einen Vorschuss wünschen sollten, ließe sich darüber reden.
Quatsch! Ich male, und dann kann er zahlen. Ich weiß ja noch gar nicht, wie es wird. Es kann ja auch danebengehen.
Das Bild auf der Fantasieleinwand ist so hell, dass Menzel es nicht erkennen kann. Erst als er die Augen ganz fest schließt, wird es deutlicher. Er fühlt sich in eine Lichtfülle getaucht. Und in der Umgebung dieses Lichtes fangen nun auch die Farben an zu leuchten. Das kann nur ein Kronleuchter sein, so groß, wie man ihn in Schlössern findet. Durch das Atelier zieht jetzt Kaffeeduft.