Aktenstaub und Muse
Joachim Lindner hat einen hübschen Einfall, um sich E.T.A. Hoffmann zu nähern
Wie schreibt man eine Künstlerbiografie? In seinen Erzählungen über den Kammergerichtsrat und Dichter E. T. A. Hoffmann hat Joachim Lindner einen hübschen Einfall, um die Lebensgeschichte seines Helden nachvollziehen zu können. Erst lässt er an einem Frühlingstag des Jahres 1822 einen jungen Berliner Studenten vornamens Gottlieb seinen Vetter Hoffmann besuchen der im Sommer desselben Jahres erst 46-jährig sterben wird und ihn dann einen Brief von einem Freund Hoffmanns erhalten, von Kriminalrat Julius Eduard Hitzig. Als Gottlieb auch diesen besucht, wird er um Hilfe gebeten. Er soll Briefe und andere Originalunterlagen ordnen und kopieren natürlich auch gegen ein kleines Honorar.
Auf diese Weise bekommt Gottlieb und mit ihm der Leser allerhand Zeugnisse aus dem Leben und Wirken des vielseitigen Mannes zu Gesicht, den er als einen ganz anderen Menschen entdeckt, als er ihn bis dahin gekannt hatte. Und auch für den Mit-Leser dieser Dokumente entsteht ein höchst lebendiges Bild der verschiedenen Lebensstationen des berühmten Vetters von Königsberg bis Berlin. Und der Leser versteht, warum sich Hoffmann selbst einmal beklagte, der Aktenstaub würde die Aussicht auf die Muse finster und trübe machen. Zweifel zwischen Beruf und Berufung, zwischen der Entscheidung für Literatur und Musik.
Joachim Lindner ist mit diesem Buch und dem dabei angewendeten Kunstgriff, den Studenten Gottlieb über seinen Vetter forschen zu lassen, eine lesenswerte Biografie des Kammergerichtsrates und Dichters, Komponisten und Malers E.T.A. Hoffmann gelungen, die Vorstellung seiner literarischen und musikalischen Werke sowie seiner politischen Ansichten eingeschlossen. Und Lindners Buch macht zudem Lust auf mehr mehr Hoffmann. Empfehlenswert.