Eine Erzählung mit viel Konfliktpotenzial - EDITION digital gratuliert Albrecht Franke zum 75. Geburtstag
GODERN bei Schwerin Ob er etwa den Verlag ruinieren wolle, wurde der Lehrer und Schriftsteller Albrecht Franke, der am 10. Februar 2025 in der Winckelmannstadt Stendal seinen 75. Geburtstag feiern kann, von Verantwortlichen des Union Verlages Berlin gefragt. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahren hatte er dort das fast fertige Manuskript seiner Erzählung Zugespitzte Situation präsentiert. Zum einen boten literarische Texte über das DDR-Bildungswesen per se reichlich Konfliktpotenzial - war doch Margot Honecker, die Frau des mächtigsten Mannes des Landes, die zuständige Ministerin. Zum anderen brach Franke mit einem Tabu: Die titelgebende Zugespitzte Situation entsteht, als sich ein vierzehnjähriges Mädchen aus der Klasse des Lehrers Christian Dannenberg die Pulsader aufschneiden will. Nach dem ersten Schreck beginnt bei Dannenberg das Nachdenken: über sich, seine Ehe, die Kollegen und Bekannten und darüber, wie er sich jetzt verhalten soll. Die Sache des Mädchens wird zu seiner eigenen, und er muss sich eingestehen, dass der Zweifel am eigenen Verhalten umfassender ist. Einst mit Begeisterung in seinen Beruf gegangen, hat er sich eine Hornhaut zugelegt, ist ein routinierter Stoffvermittler und Zensurengeber geworden. Zur wechselvollen Geschichte der DDR-Literatur gehört aber auch, dass das Buch, dem einige Rezensenten fehlenden Optimismus und die Abwesenheit eines eingreifenden Parteisekretärs vorwarfen, zwei Jahre nach der Erstauflage von 1987 sogar in einer zweiten Auflage erscheinen konnte. Da gärte es allerdings in der DDR schon gewaltig. Aber auch wenn das DDR-Schulsystem und die einstige Lebensentwürfe längst Geschichte sind, wollen die Fragen nach Verantwortung und Versagen, nach Risiko und Veränderung immer wieder neu beantwortet werden.
Neben dieser aufrüttelnden Erzählung sind drei weitere E-Books von Albrecht Franke ebenfalls unter edition-digital.de sowie im Online-Buchhandel zu haben: Unter dem Titel Hilles letzte Wanderung hatte der Autor bereits 1983 fünf Erzählungen über expressionistische Dichter veröffentlicht: Peter Hille, Georg Heym, Georg Trakl, Theodor Däubler und Paul Zech. 1995 erschien Erstarrendes Meer. Eine Erzählung über Georg Friedrich Händels letzten Aufenthalt in Halle ein starkes Plädoyer und Kreativität und Hoffnung trotz drohender Blindheit. 2015 gab er aus dem Nachlass von Christa Johannsen (1914 bis 1981) das bis dahin unveröffentlichte Manuskript Suche nach Einstein oder im Prüfstand des Gewissens als E-Book heraus.
Albrecht Franke wurde am 10. Februar 1950 als Sohn einer Eisenbahnerfamilie in Seehausen in der Altmark geboren. Nach dem Abitur 1968 studierte er an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Germanistik und Slawistik. Danach war er Lehrer für Deutsch und Russisch in Wanzleben und lebt seit 1977 in Stendal, wo er von 1991 bis 2013 am Winckelmann-Gymnasium Deutsch und Philosophie unterrichtete. Franke schrieb und schreibt auch literaturkritische Essays, so zum Beispiel über den Expressionisten Alfred Wolfenstein (1883 bis 1945).