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Der gelbe Hai. Abenteuerroman von Wolfgang Schreyer
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
20.05.2012
ISBN:
978-3-86394-099-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 390 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Thriller/Spionage, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Thriller/Militär, Belletristik/Liebesroman/Militär, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Abenteuerromane, Spionagethriller, Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Thriller / Spannung, Kriegsromane, Familienleben, Politthriller/Justizthriller, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Dominikanische Republik, Kuba, Guerillas, Kennedy, Johnson, USA, Präsidentenmord
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Pablo berührte mich am Arm. "Horch mal!"

Tatsächlich, in das endlose Pitsch-Patsch der Tropfen mischte sich ein neuer Ton. Wir drückten die Zigaretten aus. Was war das, sollten es Schritte sein? Hatte Dario seinen Posten verlassen? Das konnte nur eines bedeuten – Alarm. Wir standen auf, lauschten angespannt in das Dunkel. Instinktiv entsicherte ich den Karabiner, es gab ein mechanisches Schnappen, das peinlich widerhallte. Noch andere Laute hingen an den Wänden, man ahnte Schlürfen, Klappern, Geflüster. Es klang, als näherten sich mehrere Personen. Aber da war doch nur Dario vor uns? Oder sollte Sandra...

Ich dachte das nicht zu Ende, irgendwo huschte und geisterte ein Lichtschein. Für zwei oder drei Sekunden bot sich mir ein beklemmender Anblick, obschon ich eigentlich nichts unterschied. Die Lichtquelle blieb verdeckt, da der Hohlraum, in dem wir uns befanden, eine Krümmung machte. Ich hatte den Eindruck einer Sackgasse, einer Falle, eines enger werdenden Lochs. Ich sah riesige Schatten, das perspektivische Zusammenstürzen der Linien und spürte mit jeder Faser die Gefahr. Wieder das Schlürfen und Tappen, deutlicher schon, und da – ein rollender Stein. Ich hörte Menschen ächzen wie unter der Anstrengung, geräuschlos zu gehen. Ein kaum wahrnehmbarer, schleifender Ton entstand jedes Mal, wenn sie die Wände berührten. Kein Zweifel, sie schlichen, sie gehörten nicht zu uns, es waren Soldaten. Der Feind drang in den Berg!

Die Wirkung dieser Einsicht war bestürzend. Mich durchfuhr ein Kälteschauer, der mich vollkommen erstarren ließ. Ich hatte gemeint, das Entsetzen hätte mit jenem Schrei vorhin sein Höchstmaß schon erreicht; nun wurde es noch überboten. Gelähmt starrte ich dem Unheil entgegen und sah im nächsten Aufleuchten der Lampe fünf, acht oder zehn Gestalten – in meinem Zustand konnte ich nicht zählen –, die am Ausgang der Grotte zusammenklumpten. "Halt", zischte es vor uns. "Riecht ihr was? Hier ist geraucht worden!" Das wurde sehr leise gesagt, aus dreißig Schritt Entfernung, infolge eines akustischen Effekts aber verstand ich jedes Wort. Der Lichtstrahl stocherte umher, gleich würde er uns ertasten. Die unerträgliche Angst, die mich würgte, trieb zum Handeln. Ich riss den Karabiner an die Wange, zielte und zog ab – doch statt des hämmernden Feuerstoßes peitschte nur ein einziger Schuss; ich hatte vergessen, auf Dauerfeuer umzuschalten. Es fiel mir auch nicht ein, das Versäumte nachzuholen. In solch einer Situation setzt das normale Denken aus.

Vielleicht war gerade das unser Glück. In der Enge des Hohlraums prallte jedes Geschoss, das sein Ziel verfehlte, mehrmals von den Wänden ab. Meine Kugeln, von denen keine traf, wurden unter den verschiedensten Winkeln reflektiert, sie wären massenhaft auf uns zurückgeschwirrt. Neben mir schoss Pablo, die Grotte füllte sich mit dem Knall und dem Widerhall der Abschüsse und dem wilden Jaulen der Querschläger. Vor uns klirrte eine Taschenlampe zu Boden, sie strahlte schräg die Decke an. Nach jedem Schuss sprang ich beiseite, in der Annahme, die Soldaten würden auf das Mündungsfeuer zielen. Doch sonderbar, sie schossen gar nicht zurück. Und während ich mich wie im Fieber fragte, welch neue Teufelei dahintersteckte, hörte ich ein Poltern und Hasten und begriff, dass sie flohen, feige, verschreckt, ohne geringste Gegenwehr.

Mit einem Aufschrei stürzte Pablo hinterher. Er brüllte: "Muerte al militar!" – Tod dem Militär. Ich nahm den Ruf auf, um eine ganze Verfolgerschar vorzutäuschen und meine Furcht zu übertönen. Ich sah ihn durch den Lichtkegel rennen und hinter der Biegung verschwinden, hörte einen dumpfen Fall und dann von neuem sein Gebrüll "Muerte al militar", das zum Keuchen wurde und sich wieder steigerte, zu einer Lautstärke, als ob die Wände bersten müssten. Der Ruf fuhr wie ein Posaunenstoß hinter den Flüchtlingen her – sie wagten nicht einmal, sich umzudrehen. Er rollte nach beiden Seiten, von überall kehrte das Echo zurück, der Berg hallte von dem Kampfgeschrei wider.

Ich fand Pablo auf einem Mann knien, den er zu Boden gerissen hatte. Er blutete am Ohr und hielt den Hals des Gegners so fest umklammert, dass dessen Gesicht zu schwellen begann.

Der gelbe Hai. Abenteuerroman von Wolfgang Schreyer: TextAuszug