Aus dem Konsum-Bäckerladen duftet es nach frischen Semmeln. Warmer Kuchenhauch weht auf die Straße. Tine schnuppert. Hm, Kringelschnecken und zuckerglasierte Mandelschnitten!
Bimbo streckt witternd die Nase in die Höhe. Er zieht einen tiefen Schnaufer ein. Die Katzenmahlzeit vom Geburtstagsabend füllt einen Löwenmagen wie ein Regentropfen den Ozean. Fast von ganz allein lenkt Bimbo nach links und tappt die drei Stufen zum Laden hinauf.
Eine Oma möchte mit zwei weichen Mummelsemmeln im Plastebeutel nach Hause, wo der Kaffee in der Kanne dampft. Da versperrt ihr der Löwe den Weg. Einen Schrei will die Oma aus ihrer Kehle reißen, sie seufzt nur bang, tapert rückwärts und drückt die Türflügel breit auf. Bimbo braucht bloß hindurchzumarschieren, doch er ist ein höfliches Tier. Einen Schritt tritt er zurück und gibt der Oma den Weg frei.
Im Laden sind alle wie gelähmt vor Schreck. Selbst die Kuchenbienen setzen mit dem Summen aus. Die Leute starren Bimbo an, der bescheiden vor der weit geöffneten Tür wartet. Er weiß, was sich gehört, die Oma soll den Vortritt haben. Aber sie klebt in ihrer grauen Kittelschürze gleich einer Fledermaus an der Tür. Aus purer Verlegenheit klopft Bimbo mit seiner Schwanzquaste auf die Stufen. Er hechelt kurz, weil er das Wasser im Maul nicht mehr zu bändigen weiß. Es tropft ihm vor lauter Appetit heraus. Nein, nicht vor Appetit auf die Oma, der Kuchenduft sticht ihm in die Nase. So stehen sie sich gegenüber, Löwe und Brötchenkäufer. Lange stehen sie so.
Da löst die Oma den Bann. Sie stürzt davon, den Beutel mit den Semmeln schleudert sie fort. Er trifft Bimbos Hinterteil, und mit einem Satz ist er im Laden.
Rette sich, wer kann!, kräht ein Maurerlehrling und hechtet ins oberste Brotfach.
Das Fräulein mit dem Strohhütchen hüpft in das Auslagenfenster. Hier kauert sie mit dem einen Knie in der Buttercremetorte und drückt mit dem anderen eine Zitronenrolle nieder. Ihr Rocksaum wedelt einen Windbeutelberg um.
Mätzchen Birnebaum springt auf den Verkaufstisch, schwingt sich auf die dicke Hängelampe und schaukelt wie ein Uhrpendel hin und her.
Die anderen fliehen mit lautem Geschrei, fegen Kuchenbleche zu Boden, werfen Brötchenkörbe um. Sie rasen durch die Backstube und retten sich durch das offene Fenster hinten hinaus.
Eingeklemmt im Warengang, zittert Fräulein Mehlstaub, die Verkäuferin. Heute sagt sie nicht, erst kommen die Erwachsenen dran. Unhörbar schiebt sich Bimbo auf seinen Polstersohlen vorwärts. Kreisrund weitet sich Fräulein Mehlstaubs Mund. Ohne Mühe würde ein Doppelbrötchen hineinpassen. Sie streckt dem riesigen Löwen die gespreizten Finger entgegen, um ihn aufzuhalten. Aber es hilft nichts. Er stapft über Brote, Semmeln, Kuchenstücke genau auf sie zu.
Da befiehlt Tine mit hoch erhobenem Zauberstab: Setz dich, Bimbo, schenk Pfötchen!
Wie ein geschulter Hund nimmt er Platz, und Emil und Tine rutschen von seinem Rücken. Dem Bäckerfräulein bietet Bimbo seine tellergroße Pfote und damit Freundschaft an. Kalkweiß setzt sich Fräulein Mehlstaub in einen Schneckenkorb.
Sie brauchen keine Angst zu haben, beruhigt Emil sie. Tine hat den Autostock von ihrem Vati mit.
Das tröstet Fräulein Mehlstaub nicht. Sie äugt mit schiefem Kopf auf die Löwenpranke. Wieder und wieder wischt sie sich ihre Hand an der weißen Schürze ab. Bimbo wird die Pfote schwer vom langen Halten. Er legt sie dem Bäckerfräulein in den Schoß.
Bestimmt hat er Hunger, sagt Tine leise, um Bimbos Schwäche zu entschuldigen.
Hunger!, stößt Fräulein Mehlstaub hervor. Hunger hat er, sagt sie noch einmal und langt ins Brotfach.
Was ist ein Vierpfünder für einen leeren Löwenmagen? Ein Happs, und das Brot versinkt wie in einem Kellerloch. Kurz wischt Bimbo mit der Zunge über Maul und Nase und sperrt wieder seinen Rachen auf. Erneut will das Bäckerfräulein ins Regal greifen.
Hier liegt genug herum. Wenn es recht ist, räumt Bimbo auf, sagt Tine hilfsbereit.
Fräulein Mehlstaub nickt. Bimbo geht an die Arbeit. Er räumt gründlich auf. Brot um Brot, Semmeln haufenweis lässt er verschwinden. Kuchen happst er hinunter, ohne auszusuchen.
Emil spürt das Strohhutfräulein in ihrem Versteck voll zerstörter Tortenstückchen auf. Hierher, Bimbo!, ruft er. Mit einem Aufschrei entflieht das Fräulein aus der Ladentür. Auf dem Fußboden lässt sie ihre Buttercremetapsen zurück. Bimbo leckt sie sauber auf, und dann steckt er seinen dicken Kopf ins Schaufenster.
Draußen an der großen Glasscheibe drücken sich Menschen dicht bei dicht die Nase platt. Bimbo stört es nicht. Er macht sich über den Nachtisch her. Zum Schluss schleckt er zart die Sahnetropfen von der Scheibe. Sofort ziehen sich die Zuschauer zurück. Sehr dünn scheint ihnen plötzlich die Glaswand.
Noch immer sitzt Fräulein Mehlstaub wie angebacken im Schneckenkorb. Tine und Emil helfen ihr beim Aufstehen, und da wird sie quicklebendig. Den leckersten Kuchen, der noch ganz geblieben ist, füllt sie in eine Riesentüte, während Bimbo das letzte Loch in seinem Magen mit den arg zerdrückten Zuckerschnecken stopft. Das Bäckerfräulein drängt Emil die Tüte auf und wedelt dann erregt mit den Armen. Es sieht aus, als wolle sie die Kuchenbienen verscheuchen, die auf der Suche nach dem letzten Krümel hin und her brummen.
Tine versteht. Bedank dich, mein Kleiner, sagt sie zu Bimbo. Er streckt brav eine Abschiedspfote hin. Vergeblich, gleich schaltet Fräulein Mehlstaub den Rückwärtsgang ein.