Wollt ihr im Bund mit diesen Räubern stehn?
MOSKAU 1942
Ein Räuber schleicht sich nachts in fremdes Haus,
Erschlägt den Wächter, leert die Kästen aus,
Ersticht die Kinder, will schon Feuer legen
Da plötzlich tritt der Hausherr ihm entgegen
Und segnet ihn mit fürchterlichen Schlägen.
Das Scheusal reißt das Fenster auf und schreit:
Man überfällt mich hier zu nächt'ger Zeit!
Was würdet ihr zu solcher Frechheit sagen?
Ein jeder Schlag zu wenig tut uns leid.
Man muss den Kerl wie einen Hund totschlagen!
Ein solcher Räuber ist die Hitler-Bande.
Wo sie in fremdem Haus mit Schimpf und Schande
Verprügelt wird, erhebt sie ein Gebrüll:
Wir wehren uns ja nur im fremden Lande,
Weil uns der Russe doch vernichten will!
Doch mag das Diebsgesindel noch so schrein,
Vor aller Welt entlarvt sind ihre Fratzen.
So brachen sie in jeden Frieden ein.
Das Blut der Völker klebt an ihren Tatzen.
Und ihr wollt dieses Packs Komplizen sein?
Euch haben sie in dieses Land gehetzt;
Sie zu bereichern, hat man euch befohlen.
Für sie habt ihr geplündert und gestohlen.
Für sie habt ihr das Land in Brand gesetzt.
Doch naht die Stunde der Vergeltung jetzt!
Wollt ihr im Bund mit diesen Räubern stehn,
So mögt ihr auch mit ihnen untergehn!
Doch wer mit dem Gesindel nichts zu schaffen
Und will sein Land in Ehren wiedersehn,
Der bahne sich den Weg zurück mit Waffen!
O stünden die zu einem mächt'gen Bunde,
Die noch nicht angefault vom Henkergeist!
Er richtet alle Welt und uns zugrunde.
O Deutschland, käme doch die große Stunde,
Wo du von diesem Unrat dich befreist!
Die Anklage
Ein Feldpostbrief
STALINGRAD 1942
Mein lieber Mann!
Ich schreib Dir unter Tränen.
Nie war mein Herz so weh vom langen Sehnen.
Mir träumte heute Nacht ein süßer Traum:
Wir saßen wieder unterm Weihnachtsbaum,
Und zärtlich küssten wir uns wie vor Jahren,
Als wir noch junge Liebesleute waren.
Dann holt ich unser Kind, es war noch klein;
Und wie verzaubert stand's im Kerzenschein.
Wie überglücklich strahlte unser Bube!
Und voll von warmem Licht war unsere Stube.
Am Fenster glitzerten kristallne Sterne,
Und leise Glocken klangen aus der Ferne.
Da wacht ich auf. Und alles kalt und leer,
Als hätte ich auf Erden niemand mehr.
Selbst deine Liebe mir verloren schien.
In meinem Jammer hab ich aufgeschrien.
Und plötzlich fragt ich mich in dieser Nacht:
Wer hat uns diese Einsamkeit gebracht?
Weshalb ertrug ich sie drei Jahre stumm?
Und lange grübelt ich an dem Warum.
Warum denn gingst Du wieder von mir fort?
Und in den Sinn kam mir Dein Abschiedswort.
Du sagtest: Folgt ich dem Befehle nicht,
So ständ ich morgen vor dem Kriegsgericht.
Und schicken sie uns in den Höllenrachen,
Was kann ich Einzelner dagegen machen?
Das sagtest Du mit so verzagtem Blick,
Als wär's ein unabwendbares Geschick.
Mein lieber Mann! Nun hab ich heute Nacht
Zum ersten Mal darüber nachgedacht.
Und eine Frage ließ mich nicht mehr ruhn:
Konntest Du wirklich nichts dagegen tun?
Gibts nicht Millionen, die den Krieg verdammen?
Was tut Ihr Euch Millionen nicht zusammen?
Ein jeder Einzelne hat Weib und Kind,
Millionen Einzelne sind gleichgesinnt.
Jawohl, der eine käm vors Kriegsgericht,
Doch mit Millionen wagen sie es nicht!
Darum frag ich Dich jetzt, mein lieber Mann,
In allem Ernst: Warum fingst Du nicht an?
Willst Du Dich weiter ins Geschick ergeben,
Bis sich die Mutigen zur Tat erheben,
Und Du läufst dann als Feigling hinterdrein,
Anstatt an ihrer Spitze mit zu sein?
Ich würde lügen, wenn ich anders schriebe.
Ich schreibe so an Dich, weil ich Dich liebe.
Mein Glück und Dein Glück, unseres Kindes Glück,
Es liegt in Deiner Hand bring es zurück,
Eh es zu spät ist, dass ich nicht am Schluss,
Statt Dich zu lieben, Dich verachten muss!
Kann ich als Deutscher mein Gesicht abwenden ?
MOSKAU 1943
Dieses Gedicht habe ich einem kriegsgefangenen deutschen Soldaten in sein Tagebuch geschrieben, der mir von unerhörten Gräueltaten an der russischen Bevölkerung erzählte, sein Gewissen aber damit zu beschwichtigen suchte, dass er sich selbst niemals zu solchen Untaten hätte missbrauchen lassen.
Ich weiß, es ist nicht unsres Volkes Wille,
Was hier geschieht an Mord und Niedertracht.
Doch schweigt das Volk zu den Verbrechen stille.
Trägt es der Mitschuld schimpflichen Verdacht.
Kann ich als Deutscher mein Gesicht abwenden
Von solcher Untat, die zum Himmel schreit,
Wie sie der Völker Recht und Ehre schänden
Und treiben ihr Geschäft mit Blut und Leid?
Kann ich als Deutscher abseits stehn und sagen:
Ich bin nicht schuld und auch nicht mitentehrt!
Nein, jeder Deutsche muss die Schande tragen,
Solang das Volk sich nicht empört und wehrt.
Solang das ganze Volk sich nicht verschworen
Und fegt sein Haus von diesem Unrat rein,
Solange wird das Land, das uns geboren,
Mit der Verachtung Fluch gezeichnet sein!