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Das Zwischenspiel. Deutsche Revue von 1918 bis 1933 von Erich Weinert
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
20.05.2025
ISBN:
978-3-68912-499-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 1326 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Lyrik, Poesie, Moderne und zeitgenössische Lyrik (ab 1900), Einzelne Dichter
antifaschistisch, Antimilitarismus, Arbeiterliteratur, Expressionismus, Gedichte, Gesellschaftskritik, Großstadtlyrik, Humor, Kabarettlyrik, Klassenkampf, literarische Montage, lyrisches Kabarett, poetischer Spott, politische Lyrik, Reim und Revolte, Revolutionslyrik, Satire, Volksnähe, Weimarer Republik, Zeitkritik
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HINDENBURG BESUCHT EINE SCHÜTZENGILDE

1926

Acht Tage lang war man beim Bürsten und Bügeln,

Denn unser Hindenburg, der ist da!

Man exerzierte mit Schießbudenprügeln

Und halbverlerntem Kaiserhurra.

 

Er naht. Es beben die Schützenvereine,

Mit Schießscheibenhonig im Vorkriegsgehirn.

Es klappern die Veteranengebeine

Vor der ehernen Generalfeldwebelstirn.

 

Ein Präsentiergriff mit Vogelflinten.

Da rasselt die ganze Biermarkenpracht.

Im selben Moment werden weiter hinten

Zylinderhüte in Stellung gebracht.

 

Er redet drei Worte, schwer und graniten,

Vom glorreichen Einst und glorarmen Jetzt.

Vom Rhein und vom festen Zusammenkitten.

Dem Schießkommandeur ist der Atem versetzt.

 

Der hatte sich innerlich festlich gesammelt,

Doch leider fiel ihm der Anfang nicht ein.

Und eh’ er ein Wort des Dankes gestammelt,

Ist Exzellenz schon beim nächsten Verein.

 

Rasch wird noch einmal mit einem knalligen

Geräusch mit den Sonntagshacken geklappt.

Ein Schauer geht durch die Schießmedaillen.

Man hat eine große Minute gehabt!

FLAGGENMELANGE

1926

Nachdem das Republiksymbol

Von Luther feierlich verhunzt ward,

Da lieferte des Reiches Kunstwart

Schwarz-weiß-rot-goldnen Sauerkohl.

 

Und massenweis entwarfen die

Geprüften Kunstgewerbeschuster

Heraldische Tapetenmuster

Für Republik und Monarchie.

 

Was da im deutschen Winde weht,

Verrührte man zur Einheitsfahne;

Man tunkte ein E.K. in Sahne

Und hat es mittendraufgenäht.

 

So tat man allen Seiten wohl:

Halbiert, geschrägt, gesäumt, mit, ohne

E.K. und Gösch und Aar und Krone,

Ein gutdurchmanschtes Staatssymbol.

 

Wir haben wieder was vollbracht,

Ein Glanzstück deutscher Problematik,

Gesinnungsmus in Fahnenbatik!

Wenn da die ganze Welt nicht lacht!

DIE VIERTE INTERNATIONALE

1926

Es sprach im überfüllten Saal

Der Jungdo-Ordensgeneral

Mahraun*.

Er brüllte: Völkisch ist ein Mist!

Im Herzen bin ich Kommunist!

Der Clown!

So rettet sich vorm Haftbefehle

Die brave Seele.

 

Er sprach in teutschem Überschwang

Ein Manuskript, zehn Seiten lang.

Ca va!

Man sagte ihm verschiednes nach,

So er mit Sauerwein** besprach.

Aha!

Er wollte ihn privatim schmieden,

Den Völkerfrieden.

 

Es ist bekannt von alters her:

Wer nicht mehr kann, der kann nicht mehr.

Man sieht:

Die alte Plattform wird zu klein;

Mein Vaterland muss größer sein!

Das zieht!

Und kann man Frankreich nicht besiegen,

Muss man sich fügen.

 

Und außerdem und überdies:

Es gibt noch Männer in Paris

Mit Geist!

Was heißt hier Erbfeind, was Semit?

Ein Deutscher ist Kosmopolit,

Das heißt,

Dass man sich auch durch Kompromisse

Befruchten müsse.

 

Als nun geendet Herr Mahraun,

Begann man, solches zu verdaun

Und schwur:

Wir folgen unserm General

Und werden international

Und nur!

Die vierte Internationale

Erscholl im Saale.

 

Man gab sich einen mächt'gen Schubs.

Was brauchen wir noch Friedensklubs?

Tableau!

Es ist kein Grund, sich zu verhaun.

Locarnopakte schlägt Mahraun

K.o.

Und Sauerwein, in puncti puncto,

Singt: Vive le Jungdo!

 

* Der Führer des Jungdeutschen Ordens (Jungdo) Mahraun – einer der zahlreichen geschäftigen und geschäftstüchtigen „demokratischen“ Politiker der Weimarer Republik.

** Sauerwein – außenpolitischer Chefredakteur des „Matin“, oft Sprachrohr der französischen Regierungspolitik.

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