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Ich muss mal dumm fragen von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
09.10.2024
ISBN:
978-3-68912-311-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 22 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Psychologisch, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Politik
Belletristik: Humor, Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Absurdität, Alltagshumor, Denkanstöße, Doppelmoral, Gesellschaftskritik, Humor, Karl Knorpel, Kritik, Machtstrukturen, Menschlichkeit, Nachkriegszeit, Philosophie, Politik, Reflexion, Religion, Satire, Satirische Fragen, Scheinheiligkeit, Zeitgeist, Zynismus
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Der „Ulenspiegel“ hat sich entschlossen, Herrn Karl Knorpel, einem Mann aus dem Volke, unter der Spalte „Ich muss mal dumm fragen“ des Öfteren das Wort zu erteilen. Karl Knorpel gehört zu jenem Typus Menschen, die wie ein Kind den ewigen Fragegeist in sich haben und die wissen wollen, weshalb das Wasser den Berg hinabfließt, der Hund vier Beine hat und man im Krieg Häuser anzünden darf, im Frieden aber nicht!

 

Mein Name ist Knorpel, Karl Knorpel. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen. Mir meinerseits fällt es heute oft schwer, alles in Butter zu finden oder bloß ein Haar in der Suppe. Manchmal weiß ich vor Haaren nicht wohin; und dann muss ich gleich mal dumm fragen.

Sehen Sie, vor einiger Zeit las ich im Berliner „Kurier“ unter „Drahtbericht unseres Korrespondenten“ aus der Stadt Aachen etwas über die neuen „Atombomben der Liebe“. Wissen Sie, was das ist? Passen Sie auf! „Wir müssen uns eine Atombombe machen, angefüllt mit der göttlichen Energie der Liebe und sie auf die Menschheit werfen“ – so erklärte der apostolische Visitator für Deutschland und Bischof Dr. Aloysius Münch während einer Pontifikalmesse auf dem zerstörten Marktplatz vor dem Aachener Rathaus zum Abschluss eines halbjährigen Gebetskreuzzuges. Schön hat das der Herr apostolische Visitator gesagt, direkt poetisch, alles was recht ist, und eine zartbesaitete Seele besitzt er, der Herr Bischof, der auf dem zerstörten Marktplatz von Aachen die „Atombomben der Liebe“ predigt. Das nächste Mal also kommen die Hurrikane und fliegenden Festungen mit den Liebesbomben. Ein Fest wird das!

Aber der geistliche Herr schürft tiefer. Er verlangt eine „Sozialisierung des Herzens“. Ich bin im Sozialismus nicht so beschlagen. Aber der Herr apostolische Visitator meint da wohl, das Menschenherz bleibe nicht mehr im Privatbesitz, sondern gehe jetzt vollständig in das Eigentum der Kirche über. Denn der Herr Bischof Dr. Münch – so betonte er selbst – komme aus USA, einem Lande, das durch die freie Wirtschaft „groß und mächtig, wohlhabend und reich“ geworden sei; so trete auch er für eine „freie Wirtschaft der Liebe“ ein. Der apostolische Visitator bringt also aus USA einen ganzen Koffer mit Bereicherungen der Lehre Christi mit. Jeder nicht Gehässige muss zugeben, dass jene „freie Wirtschaft der Liebe“ eine großartige Verbindung von Christentum und frei getätigtem Handel ist. Ja, der Herr Bischof ist auf Draht. Er war nicht umsonst in USA. Wenn man sich allerdings stur darauf versteifen wollte, dass Christus die Wechsler und Händler aus dem Tempel getrieben hat – „und stieß um die Tische der Wechsler und die Stühle der Krämer“ –, wo käme man da heute hin?

Nein, wir brauchen heute ein zeitnahes Christentum, das der kleine Mann von Wall Street wie der Jupp Schmitz vor dem Aachener Rathaus begreift.

Das Beste aber ist und bleibt das feine Wort von der „Atombombe der Liebe“. Wissen Sie, bisher lief es mir immer wie eine kalte Maus den Rücken herunter, wenn ich von Atombomben hörte. Ich musste da immer an zusammenkrachende Häuser und durch die Straßen rennende Menschenfackeln denken. Aber das Wort des Herrn Bischofs hat mich nun total beruhigt.

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