Ajax war eine Sonderklasse selbst unter Rassepferden. Er war ein irischer Sprunghengst, ein hunter, zu Jagdrennen über Gräben und Hecken geschaffen, mit breiter kräftiger Brust, einem schmalen Kopf und was das Wichtigste ist abwärts der festen Schenkelmuskulatur mit stählernen schlanken Fesseln an der Vorder- und Hinterhand versehen. Nicht zu vergessen sein seidiges Haar, das in der Sonne wie rötliches Gold glänzte.
Ein Goldfuchs.
Aber all diese Eigenschaften wogen nichts gegen den heißen Trieb, jenen unbändigen Ehrgeiz, stets der Erste zu sein, auf der Rennbahn oder auf freiem Feld. Und dieser feurige Trieb erhielt ihn so jung, dass er noch mit zehn Jahren eine schwere Sprungkonkurrenz gegen sechs- und achtjährige Pferde gewann. Unter diesen jüngeren Pferden befand sich auch sein Sohn Achilleus. Der alte Ajax war sehr stolz auf seinen Sohn. Achilleus oder Aki, wie ihn die Stallknechte mit seinem Kosenamen nannten zeigte all die hervorragenden Anlagen des berühmten Sprunghengstes. Er scheute vor keiner Hecke oder Barriere zurück; er nahm den mit Wasser gefüllten breiten Graben, ohne eine Sekunde zu zögern. Wenn ihn sein Trainer an die feste Mauer heranritt, sammelte er sich kurz, ohne seinen flüssigen Galopp zu stoppen, aus gutem Gefühl auf der Hinterhand, alle Kraft, Intelligenz und Kühnheit in die massiven Schenkel legend, und dann wie ein Geschoss losschnellend, die Vorderfüße hoch zur Brust reißend setzte er lang gestreckt über die steinerne Mauer. Man merkte, es machte Aki direkt Freude, zu springen. Man brauchte ihn nicht zu treiben. Er war begabt, ungewöhnlich begabt. Vater Ajax schaute voll Stolz auf seinen Sohn, wenn er auf der Bahn über Hecken, Barrieren, Gräben und die Mauer mehr flog als sprang.
Aki hatte man bis zu seinem vierten Jahr in reinem Training gehalten. Die gute Hälfte des Tages tollte er in der Koppel umher, fraß, spielte mit den anderen jungen Pferden, wälzte sich im taufeuchten Gras, absolvierte seine Übungen in den verschiedensten Gangarten an der langen Leine und wurde ab und zu von einem federleichten Jockey über die Hindernisse geritten. Sein Rückgrat sollte noch nicht zu sehr belastet werden. Auch die bandagierten Fesseln und Fußgelenke mussten sich erst langsam an die schwerere Sprungarbeit gewöhnen. Ein zu starker Druck, ein einziger Fehlsprung konnten das wertvolle junge Tier zuschanden machen. Der Rennstallbesitzer betrachtete Aki als Favoriten der nächsten Jahre. Und auch Vater Ajax beobachtete tagsüber sachkundig die Arbeit seines Sohnes, um ihm abends seine Ratschläge und Ermahnungen zu erteilen, obwohl er sah, dass sein Sprössling alle Aufgaben spielend erledigte, wozu er selbst viel Schweiß und Mühe hatte aufwenden müssen. Aki, der noch durchaus grün und unfertig war, schien das Zeug zu haben, seinen Vater eines Tages zu überflügeln. Aki ist eine Superklasse, sagte der Trainer zum Rennstallbesitzer. Superklasse, das bedeutete aber noch eine Stufe höher als Sonderklasse.
Vater Ajax hörte es mit Stolz. Es war ja sein Sohn.
Dann kam das erste Rennen, an dem der vierjährige Aki teilnahm. Es war ein kombinierter Hindernislauf über eine offene Rennstrecke mit Hürden, Barrieren, Gräben und der Mauer.
Die Nacht vorher konnte Aki nicht schlafen. Er stand in seiner Box, schnaubte leise, rieb den Kopf an der Seitenwand, und wenn er doch in Halbschlummer fiel, begann er auf der Hinterhand zu steigen, als wolle er über die Mauer setzen, wobei er vorn an die Krippe stieß. Es war der Ehrgeiz des Alten, der auch in ihm kochte.
Vater Ajax, der neben ihm stand, ermahnte ihn: Ruhe, Aki! Vor dem Rennen braucht man Schlaf! Die Nerven müssen morgen so fest sein wie deine Sehnen! Denke jetzt an die grüne Weide, an die Sonne, meinetwegen auch an deine Freundin Stella! Nur denke nicht an das Rennen; dazu ist morgen noch Zeit genug. Du brauchst nicht gleich Erster zu sein.
Aber ich will es!, erwiderte Aki. Was hat es sonst für einen Sinn, zu rennen?