Es war nicht ganz einfach, bei dem Kerzenstummel, den ein Rotarmist hielt, diese komplizierte Wunde in der engen, mit Soldaten überfüllten Hütte zu verbinden. Ich musste daran denken, wie ich im ersten Weltkrieg als Bataillonsarzt deutsche Soldaten an der Somme und bei Langemarck versorgt hatte. Als ich die zweite Binde verlangte, sah ich das vom Kerzenschein beleuchtete Gesicht eines deutschen Gefangenen, er schaute in geradezu hilflosem Erstaunen auf mich. Offenbar konnte er es nicht fassen, dass der Rotarmist während der Kampfhandlungen einem deutschen Verwundeten sein Verbandpäckchen gab.
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Der Verwundete bittet um Wasser.
Wir geben es ihm mit etwas Wodka. Er ist sehr erschöpft und stöhnt. Ich lasse ihn auf eine Bank legen und die andern Soldaten etwas beiseite treten.
Der Verwundete es ist der Artilleriefunker Hans Schmidt von der 19. Panzerdivision fragt mich, was ich von seiner Wunde halte und ob er sterben müsse? Und ohne meine Antwort abzuwarten, nennt er mir die Feldpostnummer seines Bruders, der schon seit Oktober bei Stalingrad stehe, er selbst habe in seinem Funkgerät alle Meldungen über Stalingrad abgehört, auch die russischen. Und nun quäle er sich die ganzen letzten Tage, ob sein Bruder unter den Toten oder unter den Gefangenen sei?