LYRISCHE MEERESFRÜCHTE
Michael Baade: Geboren am Meer. 50 Gedichte aus 50 Jahren. Mit Grafiken von Professor Armin Münch. EDITION digital Pinnow 2020. ISBN 978-3-96521-259-6 (BUCH), ISBN 978-3-96521-260-2 (E-book).
Der in Rostock geborene, dort aufgewachsene und bis heute wirkende Schriftsteller Michael Baade hat sich vor allem als Autor zeitgeschichtlicher Studien und Dokumentationen einen Namen gemacht. So hat er in mehreren Büchern das Leben und den tragischen Tod seines Studienfreundes Egon Schultz dargestellt, der als Grenzsoldat an der Berliner Mauer nicht von einem Fluchthelfer, wie in der DDR behauptet wurde, sondern von einem eigenen Kameraden irrtümlich erschossen wurde: eine bleibende Parabel über die menschlichen Folgen der deutsch-deutschen Teilung.
In seinen Prosaarbeiten meldet sich Michael Baade mit der gebotenen Lautstärke zu Wort. In seiner Lyrik zeigt er sich dagegen als Meister der leisen Töne, des understatement und mitunter sogar des Minimalismus. Manche Gedichte sind so kurz wie Haikus, sie kommen mit wenigen Zeilen aus und überlassen es dem sensiblen Leser, sich seinen Teil dazuzudenken. Er arbeitet mit Bildern und Gleichnissen und verwendet die Merkmale der mecklenburgischen Küste und seiner Lieblingsinsel Hiddensee als Zeichen für die natürliche und unzerstörbare, von Gott geschaffene Ordnung der Dinge, in deren Geborgenheit der Dichter Trost, Halt und Hoffnung findet. Liebe ist ein Grundmotiv seiner Lyrik, Liebe zu Land und Meer, zur Erde und zum Himmel und zu den ihm nahestehenden Menschen, besonders zu seiner Mutter und zu seiner nach Rosen duftenden und honigfarbenen, aus Thailand stammenden Frau. Ehrfürchtig verbeugt sich der Dichter vor seinen Lehrern, vor Goethe, Brecht und Neruda, die ihm in den Jahrzehnten der Enge in der DDR Ansporn waren, über den eigenen begrenzten Horizont hinaus zu schauen und den Weltzusammenhang nicht außer acht zu lassen. Nach der Wende hat Michael Baade sich den Erdball auf seine poetische Weise erschlossen. Er hat Griechenland bereist, Zypern, das Heilige Land mit Jerusalem, den Iran und Thailand. Spuren dieses neuen Schauens sind in etlichen seiner Gedichte wiederzufinden und verleihen ihnen ihre eigene Würze. In seinem Eingangsgedicht umschreibt Michael Baade sein Credo: Etwas sagen möchte ich/ Subjektivieren das Objektive/ Objektivieren Subjektives. Das ist ihm in seinen fünfzig Gedichten meisterhaft gelungen.
Dr. Peter Schütt