Wilhelm war von Natur aus sparsam, ohne jedoch knickerig zu sein. Er gönnte sich sein Glas Bier und seine Zigarre und hatte, als seine Frau noch lebte, nur das Teuerste an Radio und Grammophon gekauft. Am Hochzeitstag seiner Ältesten aber wollte er sich keineswegs lumpen lassen. Er besorgte gute und teure Weine, und die Hochzeitsgesellschaft schien mit dem Essen und Trinken zufrieden zu sein.
Für den Abend aber lud er seine Gäste in ein Weinrestaurant an der Leipziger Straße und setzte ihnen ungeheure Platten kalter Speisen und ausgewählte Salate vor. Dazu spendierte er drei Flaschen Sekt und eine herrliche Bombe. Sie aßen und tranken nochmals mit dem besten Appetit, so dass er zufrieden schmunzeln konnte.
Um zehn Uhr verabschiedete sich das Ehepaar Kohlhammer, das gewohnt war, frühzeitig zu Bett zu gehen, gleich darauf brachen die Neuvermählten auf. Wilhelm umarmte Meta. Möchte sie glücklich werden! Sie war etwas launisch und anspruchsvoll, aber dieser Richard war ja ein prachtvoller Junge, bei ihm würde sie es gut haben. Nun würde es noch stiller in seinem Hause werden, aber er fürchtete es nicht. Von heute an konnte er mit neuer Kraft an die Pläne gehen, die ihn beschäftigten. Er wollte sich ein schönes und neues Leben aufbauen. Morgen würde er Rosa von der Traube wiedersehen und versuchen, einen Schritt weiter zu kommen.
Er bestellte noch eine Flasche kostbaren Mosels. Trinken wir jetzt noch ein Gläschen auf unsere Zukunft!, rief er hoffnungsvoll aus. Es geht auch auf unser aller Zukunft! Trinke, Käthchen!
Die Neuvermählten warteten in der Leipziger Straße auf ein Auto. Die Trams schossen vorbei, die Omnibusse donnerten vorüber. Scharen von Schatten hasteten vorbei. Aber alle Autos, die sie anriefen, waren besetzt.
Meta wurde von einer Art Schwindel ergriffen. Alles dreht sich um mich, sagte sie. Sieh doch zu, dass du ein Auto bekommst, Richard. Ich bin betrunken, hörst du. Vater hat es zu gut gemeint.
Auto!, schrie Richard in die Straße. Der Sekt war herrlich, und auch die Bombe war nicht von schlechten Eltern. Ein herrlicher Tag, alles in allem. Käthchen scheint in diesen Glöckner verschossen zu sein, wie? Sie sollte es nicht zu deutlich zeigen, die Kleine. Auto!
Auch dieses Auto war besetzt. Der schöne Tag war in den Abendstunden in böiges Wetter übergegangen.
Schließlich fegten Regenschauer über die Straße. Meta trat in ein Haustor.
Als ein Omnibus heranbrauste, der noch Platz versprach, schlug Richard vor, den Autobus zu nehmen. Das entsprach keineswegs Metas Wünschen. Ein Omnibus an ihrem Hochzeitstag, das schien ihr nicht würdig. Aber da der Regen heftiger einsetzte, raffte sie ihre Kleider hoch und rannte, um den Bus noch zu erreichen. Ich bin so müde, dass mich fast nicht mehr die Beine tragen, sagte sie, als sie einstieg. Ein Omnibus am Hochzeitstag, ob das etwas Gutes bedeutet, dachte sie.
Von der Haltestelle im Osten bis zu ihrem Haus hatten sie noch zehn Minuten zu gehen. Der Regen fegte gegen die Fenster, und Meta glitt unter den Balkons dahin.
Wie abscheulich dieses Wetter!
Richard lachte. Ich finde es herrlich!, rief er aus und eilte neben Meta dahin. Aus der Ferne hörten sie das gellende Läuten der Feuerwehr. Schon laufen die Keller voll Wasser, hörst du, Meta?
Kohlhammer bewohnte eine kleine Wohnung in einer Mietskaserne beim Warschauer Tor. Da sich im Keller des Hauses ein Seifenengrosgeschäft befand, so roch das ganze Haus Tag und Nacht nach Seife, was aber Kohlhammer nicht störte. Er hatte die Wohnung seit Jahren mit seiner Schwester geteilt, die als Buchhalterin tätig war und an Schwermut litt, so dass sie nicht mehr unter Menschen ging und sich schließlich das Leben nahm. Meta hatte die schwermütige Schwester gekannt und die ewig Schweigsame und Jammernde nicht leiden können. Es war ihr nicht gerade angenehm, in einer Wohnung zu leben, in der noch der Schatten der Unglücklichen umherging.
Eine alte Frau, eine Nachbarin, die bei Kohlhammer Aufwartedienste versah, öffnete die Tür, als sie ihre Tritte und Stimmen hörte.
Herr Möllendorf hat soeben angerufen, berichtete sie, als sie Kohlhammer erkannte. Er fragte, wo er Sie erreichen könnte. Sie möchten augenblicklich anklingeln.
Man hat nie Ruhe, versetzte Kohlhammer ärgerlich. Möllendorf war einer seiner Vorgesetzten Ist es schon lange her?
Es könne noch keine fünf Minuten sein. Irgendetwas Dringendes scheine vorzuliegen, wahrscheinlich ein großer Brand.