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Der undankbare Herr Kerbel und andere kriminelle Geschichten. von Klaus Möckel
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
11.08.2012
ISBN:
978-3-86394-734-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 238 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Sammlungen & Erzählbände
Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Kriminalromane und Mystery, Thriller / Spannung
Heiratsschwindler, Einbruch, Ladendiebstahl, Mord, Logik, Patentdiebstahl, Verkehrsgefährdung, Autorennen
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Das Schmuckkästchen

Als Peter Binsenhoff, ein mittelmäßiger Opernsänger und fanatischer Sammler alter Gegenstände, dem Ehepaar Pont nach langen Verhandlungen sein kostbarstes Kleinod, ein hübsch verziertes und lackiertes Schmuckkästchen abgeluchst hatte, schlug ihm wegen des relativ niedrigen Preises nicht etwa das Gewissen, sondern vor wilder, freudiger Erregung wie rasend das Herz. Man behauptet mitunter, Freude fördere die Gesundheit und verlängere das Leben, doch bei ihm war das nicht so. Im Gegenteil, die Aufregung brachte ihn zu Fall. Vielleicht war es auch die Sonne, die an jenem Tag unbarmherzig vom Himmel stach und ihm auf den Schädel brannte. Den Hut nämlich hielt Binsenhoff in der Hand, um schneller rennen zu können. Er wollte den Bus erreichen, der nur jede halbe Stunde fuhr. Möglicherweise war es aber auch das ungewohnte Tempo, das er zu diesem Zweck anschlug, oder, was am wahrscheinlichsten ist - alle drei Faktoren wirkten zusammen. Auf jeden Fall erstarrte Binsenhoff, der schon die Tür des abfahrbereiten Busses in Reichweite hatte, urplötzlich in der Bewegung, krümmte sich und brach zusammen. Er starb zwanzig Minuten später, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, auf dem Transport ins Krankenhaus.

Die Witwe Binsenhoff war verständlicherweise schockiert, obwohl sie ihren Mann selbst mehrfach gewarnt hatte: „Hetz dich nicht derart ab. Hör auf den Arzt, und mute deinem gestressten Herzen nicht mehr so viel zu!" Doch man warnt den Ehemann und glaubt nicht im Ernst, dass ihm wirklich etwas zustoßen könnte. Außerdem wusste sie ja nur wenig von dem Handel, der zunächst fast aussichtslos schien, dann aber durch seinen erfolgreichen Abschluss die Erregung erst ausgelöst hatte.

Als der stärkste Kummer vorbei und der teure Gatte unter der Erde war, begann die Frau den Nachlass zu ordnen. Das war keine leichte Sache. Abgesehen davon, dass sie sich wenig für seine Sammlerleidenschaft interessiert hatte, war der Verblichene auch kein systematischer Geist gewesen - seine Angelegenheiten boten das Bild heftigen Durcheinanders. Sie stellte deshalb erst mal eine grobe Ordnung her, packte vor allem jene Papiere und Gegenstände zusammen, die ihr wertvoll erschienen. Dabei geriet ihr das Schmuckkästchen wieder in die Hand, das sie in der ersten Aufregung beiseite gelegt hatte. In den Tagen vor seinem Tod hatte er davon gesprochen, erwähnt, dass er es von dem auch ihr bekannten Ehepaar Pont in der Hölderlinstraße zu erwerben hoffte. Was ihm dann ja tatsächlich, wenngleich mit tragischen Folgen, gelungen war.

Frau Binsenhoff hob die Schatulle empor, drehte sie in den Händen hin und her, betrachtete sie von allen Seiten. Sie verstand nicht viel von Antiquitäten, sah aber, dass es sich um eine ungewöhnliche Arbeit handelte. Gedrechselte Füßchen und geschnitzte Kanten, Lackmalerei, irgendwelche Wappen, die in die Holzwände eingekerbt waren. Drei Schiebefächer mit Schlössern entdeckte sie, und in einem, das offen war, lagen die dazugehörigen winzigen Schlüssel. Dem Holz, der Schatulle insgesamt, sah man das Alter an, und das hatte ihren Mann wohl am meisten gereizt. Sie fragte sich, was er hierfür bezahlt haben mochte.

Dennoch empfand die Frau Widerwillen, als ihre Finger über die Verzierungen glitten. Sie war abergläubisch, und dieses Kästchen stand mit dem jähen Ableben des Ehegatten in engem Zusammenhang. Direkt schockiert aber war sie, als sie den Boden der Schatulle betrachtete. Dort war, halb verwischt und in altmodischen Buchstaben, eine Inschrift eingekratzt. Ein höchst merkwürdiger, schauerlicher Text „Wer dieses Kästchen erwirbt, stirbt."

 

Der undankbare Herr Kerbel und andere kriminelle Geschichten. von Klaus Möckel: TextAuszug