Lesestoff zu Halloween – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Aussagen eines Schutzengels - „Liebengrün“ von Gerhard Branstner diese Woche neu bei EDITION digital
(Pinnow, 21.10. 2016) Halloween literarisch? Kann man sich beim Lesen gruseln? Ja, das geht, wie wir aus manchen Schreck- und Schauergeschichten aus der Vergangenheit wissen. Dazu gehört als eines der berühmtesten Bücher dieses Schlages der am 18. Mai 1897 erschienene Roman „Dracula“ des irischen Schriftstellers Bram Stoker mit dem wohl berühmtesten Vampir der Literaturgeschichte als titelgebender Hauptfigur. Zumindest den berühmten Namen findet der Leser auch in einem erstmals 2003 erschienenen Kinderbuch mit insgesamt neun grausel-grusligen Geschichten von Klaus Möckel wieder. Unter dem Titel „Ein Hund namens Dracula“ lädt der Autor seine jungen Leser zu Begegnungen mit dem Wirklich-Unwirklichen. So erzählt Klaus Möckel in der Titelgeschichte von Steffen, der von seinen Mitschülern Schutzgeld erpresst und daher vor ein Geistergericht zitiert wird, wo ihn der gefährliche Hund Dracula in Schach hält.
Mitunter recht Schauriges passiert auch passend zu Halloween, diesem von katholischen irischen Auswanderern zunächst nach Amerika exportierten und seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts auch auf dem europäischen Kontinent häufiger anzutreffenden Volksbräuchen, in dem erstmals 1998 veröffentlichten Band „Spuk auf Spyker“ von Heinz-Jürgen Zierke. In den wundersamen Geschichten aus Pommern und der Uckermark geht es unheimlich, gespenstisch und Schauererregend zu, zugleich aber kommen auch Humor und Ironie nicht zu kurz. Und nicht zuletzt lernt der Leser, dass es nicht nur zu früheren Zeiten gespukt hat, sondern durchaus auch in der Gegenwart – so eben auf Schloss Spyker auf Rügen, wo dunkle Gestalten eine Schulung stören: „Ein neues schrilles Signal des unsichtbaren Herolds. Die Schiebetür an der Rückseite des Saales glitt beiseite, und auch hier traten drei Mann ein, zwei in Schwarz und in ihrer Mitte ein unverhüllter alter Mann. Es war - Aldi blieb der Mund offen, was hinter der Maske zum Glück niemand bemerkte - Graf Wrangel selbst, der Herr des Schlosses, als sei er eben aus dem lebensgroßen Bild, das im Lesezimmer hing, herabgestiegen. Die bunte Marschallschärpe schlotterte um den Greisenleib. Aldi, dem Ordnungsfanatiker, fiel auf, dass die weißen Spitzenmanschetten angegraut und überdies falsch gefältelt waren.“
Die beiden recht gut zu Halloween passenden Bücher von Möckel und Zierke gehören ebenso wie drei weitere Veröffentlichungen zu den aktuellen Deals der Woche der EDITION digital, die im E-Book-Shop http://www.edition-digital.de acht Tage lang (Freitag, 21.10. - Freitag, 28.10.) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind.
Sowohl an Kinder als auch an Erwachsene wendet sich der in seiner ersten Auflage 1994 veröffentlichte Band „Petermännchen. Der geheimnisvolle Zwerg“, in dem die beiden Schweriner Autoren Erika und Jürgen Borchardt elf besonders schöne Sagen vom Schweriner Schlossgeist Petermännchen auf wunderbare Weise nacherzählen. Die Auswahl reicht vom geheimnisvollen Zwerg, der schon auf und im Titel des Buches auftaucht über „Eine Ohrfeige für den Mundschenk“ und „Die wundersame Rettung der schönen Gartenknechtstochter“ sowie der Geschichte über einen schlafenden Wachsoldaten bis zu zwei Sagen über „Die Schlossjungfer am Pfaffenteich“ und über „Das Geheimnis um die goldene Tuchnadel“. Zudem ist in einem ausführlichen Nachwort mehr über das Schweriner Petermännchen und darüber zu erfahren, wie die von Borchardt und Borchardt neu aufgeschriebenen Sagen einst entstanden sein mögen.
In eine ganz andere, weit entfernte Welt (ent)führt seine Leser Gerhard Branstner in seinem Buch mit dem fast barock klingenden Titel „Der Sternenkavalier oder Die Irrfahrten des ein wenig verstiegenen Großmeisters der galaktischen Wissenschaften Eto Schik und seines treuen Gefährten As Nap“ aus dem Jahre 1976.
Die erwähnten Irrfahrten bieten manche Überraschung. Und schon der Anlass dieser Reise ist utopisch und ungewöhnlich: Weltall und Sternbilder sollen nach „ästhetischen Grundsätzen“ umgemodelt werden. Das stiftet unter den Planetenbewohnern, die dort angetroffen werden, zumeist bemerkliche Verblüffung. Denn feste Grundsätze und unumstößlich geglaubte Ordnungen geraten ins Wanken oder werden mittels eines mühelos gehandhabten Zauberstöckchens kurzfristig über den Haufen geworfen. Und da Vorfreude bekanntlich die schönste Freude ist, wollen wir hier mit ein paar Titeln der im „Sternenkavalier“ versammelten Geschichten Lust aufs Lesen des gesamten Buches machen, als da sind unter anderem „Das Schiff der lustigen Leute“, „Kartoffelgespenster unterm Regenschirm“ und „Das Land der Verlässlichkeit“, aber auch ein Text unter dem Titel „Der Gordische Knoten“. Alles in allem zeigt Branstner, dass auch Irrfahrten sehr vergnüglich und im besten Sinne lehrreich sein können.
Wieder ganz anders steht es um Raum und Zeit in dem autobiografischen Buch „Meine Sekretäre und ich“ von Hans Bentzien. Dieser Mann hatte in seinem Leben fast alles ausgekostet, was es in einem Leben auszukosten gibt – Triumph und Tragik. Bentzien, geboren am 4. Januar 1927 in Greifswald, gestorben am 18. Mai 2015, war zu DDR-Zeiten einmal und zwar von 1961 bis 1965 jüngster Minister für Kultur dieser Republik, bevor er in der Folge des berühmt-berüchtigten 11. Plenums des ZK der SED am 12. Januar 1966 „wegen ernsthafter Fehler“ abgelöst und durch Klaus Gysi ersetzt wurde. Möglicherweise hatte im Hintergrund der damalige Erste Sekretär des ZK der SED und Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht für diesen Personalwechsel gesorgt. Nach seiner Ablösung als Minister war Bentzien von 1966 bis 1975 Direktor des Verlages Neues Leben, bis er 1975 zum Rundfunk der DDR wechselte, wo er als Nachfolger von Manfred Engelhardt für zwei Jahre die Leitung der Hauptabteilung Funkdramatik übernahm – bis 1977, als er stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen wurde. Wiederum zwei Jahre später verlor er diese Funktion wieder. Bentzien wurde wegen Ausstrahlung der beiden Filme „Geschlossene Gesellschaft“ und „Ursula“ abgesetzt. Und wer mehr über die damaligen Vorgänge speziell um die „Geschlossene Gesellschaft“ erfahren möchte, der sollte das Buch „Meine Sekretäre und ich“ zu Hand nehmen, dem Geheimdokumente über eben diese Vorgänge vorangestellt sind, in die der Autor verstrickt war.
Ansonsten aber meint der Begriff „Meine Sekretäre“ im Buchtitel die jeweils führenden Sekretäre der SED, mit denen Bentzien während seines Lebensweges auf verschiedene Weise zusammengetroffen war - von einer rührenden Begegnung mit Wilhelm Pieck bis in die jüngste Gegenwart des erstmals 1995 veröffentlichten Buches, als Hans Bentzien in den „Unruhestand“ gegangen war – so die Überschrift des letzten Kapitels des nicht nur für Zeit-Genossen und DDR-Historiker spannend zu lesenden Buches. Sein Schicksal wird von allen Sekretären direkt oder indirekt berührt, sogar bestimmt; und er war selbst Sekretär in voller Funktion. Und der Leser spürt, der Autor kennt sich also aus und ist befugt, seine Geschichte mit der des Landes zu verknüpfen. Bekanntes wird sachkundig erörtert, Unbekanntes hervorgebracht. Ein Menschenschicksal, Zeitgeschichte, Geschichte und Geschichten. Ein Stück DDR-Geschichte aus durchaus ungewöhnlicher Perspektive.
Ein kleines Dorf in Thüringen – Autobiographie von Gerhard Branstner diese Woche neu erschienen
Liebengrün, so lässt uns zum Beispiel Wikipedia auf Online-Nachfrage wissen, ist ein kleines Dorf inmitten des Thüringer Schiefergebirges und ein Ortsteil der Gemeinde Remptendorf im Saale-Orla-Kreis. Es liegt 537 m ü. NN, hat 10,12 km² Fläche und zählte am 31. Dezember 2009 exakt 398 Einwohner. Was Wikipedia nicht sagt, ist, dass aus eben diesem kleinen thüringischen Dorf der Urgroßvater von Gerhard Branstner stammte, weshalb er seine sich zum eigenen 80. Geburtstag geschenkte Autobiografie eben „Liebengrün“ nannte. Allerdings gibt es zu diesem Titel noch einen spannenden Untertitel – „Ein Schutzengel sagt aus“.
Das Buch zeichnet auf typisch Branstnersche-heitere Weise Branstners Leben nach, das in einer proletarischen Familie gestartet war, ihn über Verwaltungslehre, Kriegsgefangenschaft in Frankreich und Belgien, Arbeiter- und Bauernfakultät zu Philosophiestudium und Hochschullehre in Berlin führte, zur Verlagstätigkeit und schließlich zur Schriftstellerei.
In einer damaligen Rezension des Buches hieß es treffend, „wer sich für die Literatur- und Überbaugeschichte der DDR einschließlich MfS interessiert, für den ist dieses Buch eine Fundgrube“. Und „Liebengrün“ hat auch sehr schöne Anekdoten zu bieten, so etwa die von einer Lesung in Schwerin, wo ihm ein Hörer riet, unbedingt die „Reise zum Stern der Beschwingten“ zu lesen, es sei in seiner Art geschrieben: „Ich erklärte ihm, daß ich das Buch schon vor dem Druck gelesen habe, da ich es selber geschrieben hatte.“ Und man ahnt, was es bedeutet, wenn es in derselben Rezension hieß, dass die damalige Lieblingsmaxime des vielseitigen Autors eine 2000-jährige Lebensregel der Pygmäen aufgriff: „Erst lachen, dann denken“. Unser Tipp: Erst lesen, dann lachen. Oder umgekehrt. Oder was am wahrscheinlichsten sein dürfte - beides auf einmal.