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Säng von Bernhard Kellermann
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
02.10.2025
ISBN:
978-3-68912-577-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 25 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Hunde
Kinder/Jugendliche: Natur- und Tiergeschichten, Kinder/Jugendliche: Kurzgeschichten
Freundschaft, Mensch und Tier, Himalaya, Tibet, Karawanenhund, Abenteuer, Basarleben, Exotik, Wildnis, Loyalität, Verrat, Abschied, Schicksal, Treue, Sehnsucht, Reisebericht, Tierliebe, Naturgewalt, Berge, Industal, Begegnung, Kulturkontakt, Einsamkeit, Hoffnung, Schmerz, Erinnerung, Gesellschaftskritik, Parabel, Nachdenklich, Menschlichkeit, Mitgefühl, Abenteuerliteratur, Zeitlos, Überleben, Tierfigur, Symbolik, Fremde Welten
12 - 99 Jahre
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Eines Tages nun ereignete sich etwas wirklich Außergewöhnliches: Mein Freund erschien plötzlich am Tor des Bungalows. Er war mir, ohne dass ich es beobachtete, gefolgt und mit dem verwundeten Fuß den steilen Weg hinauf gehumpelt. Die Heilung seines Fußes machte übrigens, dies ganz nebenbei bemerkt, in letzter Zeit große Fortschritte. Wo der Knochen zersplittert war, hatte sich ein faustgroßer, abscheulich anzusehender Knoten gebildet. Zuweilen machte Säng schon den Versuch, mit der kranken Pfote den Boden zu berühren. Als sein breiter, verwegener Schädel im Hof des Bungalows auftauchte, entstand die größte Aufregung unter meinen Dienern.

„Sahib, Säng ist gekommen!“ Das klang fast, als beehre mich der König von Ladack mit seinem Besuch. Ich begrüßte Säng erfreut und lud ihn ein, einzutreten. Dazu war er aber nicht zu bewegen. Irgendetwas in seiner Erinnerung sträubte sich gegen den Gedanken, einen geschlossenen Hof zu betreten. Einige Leckerbissen wurden vom Koch herbeigeschafft, und Säng genoss Bewirtung und gute Aufnahme. Seine Visite dauerte ziemlich lange, denn schließlich hatte er ja nicht viel zu versäumen. Ich wagte bei dieser Gelegenheit zum ersten Male, Säng zu berühren. Als ich meine Hand seinem Kopf näherte, schielte er unbehaglich und beunruhigt. Er knurrte, kräuselte die Nase und stieß den Atem erregt durch das leicht geöffnete Gebiss. Er wollte mich warnen, denn schließlich wusste er selbst nicht, was geschehen würde. Aber als ich ihm gut zuredete, begann er mit dem Schwanz auf den Boden zu schlagen, und nun war es geschehen. Eine Menschenhand hatte ihn nach langer, langer Zeit wieder berührt! Anfangs war er unruhig, aufgewühlt, er konnte es nicht fassen, dann gab er sich der Liebkosung völlig hin. Er brummte, um seiner Behaglichkeit und seinem Dank Ausdruck zu geben. Dazwischen ging sein Brummen in ein grollendes Knurren über, denn schließlich hatte ja alles seine Grenzen. Im Übrigen war er ein Karawanenhund und kein Pekinese, der die Zunge aus dem Maul hängt, wenn man ihn hinter den Ohren krault. Eine halbe Stunde hockte er noch vor der Tür des Bungalows, nachdem ich gegangen war, und niemand wagte, in den Hof hereinzukommen oder hinauszugehen. Dann humpelte er langsam davon. Vielleicht, dachte ich, war er in seiner Jugend einmal im Lager eines Europäers gewesen, irgendeines Reisenden oder Jägers, und seine Zuneigung zu mir entsprang dieser Erinnerung.

Säng besuchte mich einige Male. Schließlich wagte er sich bis an die Veranda des Bungalows heran. Meine Diener aber wichen ihm immer noch in respektvollem Bogen aus.

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