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Der Paradiesgarten. Roman von Karl Sewart
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
25.11.2013
ISBN:
978-3-86394-437-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 453 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Politik, Kinder-und Jugendbuch/Liebe und Romanze, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Vorurteile und Rassismus, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Werte und Tugenden
Abenteuerromane, Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Kriegsromane, Kinder/Jugendliche: Liebesromane, Freundschaftsromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Rassismus und Multikulturalismus, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen, Familienleben, Liebesromane
Pubertät, Erzgebirge, Hitlerjugend, 2. Weltkrieg, Weihnachten, Paradiesgarten, Vater-Sohn-Beziehung, Liebe, 20. Jahrhundert, Familienbeziehungen, Familie, Junge Erwachsene, Krieg, Liebesgeschichte, Militär, Politik, Liebe, Spannung, Tod, Überleben
12 - 99 Jahre
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Ihre Stimme klang wieder, wie sie immer geklungen hatte. Und wie sie da in der Sonne kauerte und mit ihren sehnigen, sonnengebräunten, zerkratzten und zerschrammten Händen das nasse Zeug auswrang und ausbreitete, tat sie das mit der gleichen Sicherheit, der gleichen Natürlichkeit, der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie immer alles getan hatte, wenn sie miteinander hier draußen waren. Und als sie kurz den Kopf hob und zu ihm herüberblickte, wie er ihre gebräunte Stirn, ihre leicht aufgeworfene Nase, auf der sich die Haut von der Sommerhitze schälte, die Sommersprossen auf der sich über ihre leicht hervorstehenden Wangenknochen spannenden Haut, wie er endlich den klaren, offenen, ehrlichen, sachlichen Blick ihrer Augen auf sich gerichtet sah - da begriff er plötzlich selbst nicht mehr, wie er hatte so davonlaufen, wie er sich hatte derart ängstigen können ...

Sie war doch seine Kameradin, dachte er erleichtert, erlöst. Sie hatte doch recht, sie beide waren doch die besten Kameraden. Sie hatte doch recht, sie kannten einander doch. Sie hatten miteinander seit Jahr und Tag den ganzen Sommer über Wald und Feld durchstreift. Sie hatten miteinander lange Märsche unternommen und durchgehalten, sie hatten miteinander Hitze und Trockenheit überstanden und die eigene Müdigkeit überwunden. Sie waren miteinander auf die höchsten Bäume geklettert und tief in alte, halb verfallene Bergstollen eingedrungen. Sie hatten sich miteinander im Forst verirrt und hatten sich miteinander wieder herausgefunden. Sie hatten sich miteinander bis auf wenige Schritte Entfernung an Rehe und Hasen und an Rebhühner und Fasane herangepirscht. Sie hatten miteinander junge Füchse in der Sonne spielen und kleine Ringelnattern aus dem Ei schlüpfen sehen. Sie hatten einander eingetretene Stacheln und Dornen aus dem Fuß gezogen, sie hatten einander Schrammen und Wunden mit dem Taschentuch verbunden. Sie hatten miteinander alle Anstrengungen und Gefahren in der freien Natur, sie hatten miteinander Jagdbeute und Proviant brüderlich geteilt. Sie hatten einander immer ohne viele Worte verstanden, sie hatten niemals irgendwelchen Zank oder Streit miteinander gehabt. Sie hatten immer treu und zuverlässig zusammengehalten und waren auf ihr gegenseitiges Wohlergehen bedacht gewesen. Sie hatten immer gewusst, was sie voneinander zu halten hatten ...

Sie hatte recht. Sie kannten einander. Sie waren die besten Kameraden.

Und auch heute hatte sie sich als der treueste Freund, als der zuverlässigste Gefährte erwiesen ... Auch heute hatte sie ihn nicht im Stich, hatte sie ihn nicht allein gelassen. Auch heute war sie ihm gefolgt, als er zu diesem unsinnigen Lauf aufgebrochen war. Auch heute war sie ihm über Stock und Stein und durch dick und dünn gefolgt. Auch heute war sie nicht aus Trotz oder Unwillen oder aus körperlicher Schwäche zurückgeblieben. Auch heute hatte sie den Überblick behalten und ihren praktischen Sinn und Verstand bewahrt. Auch heute half sie ihm, Schwierigkeiten und Hindernisse und innere Hemmungen zu überwinden ...

Erleichtert, befreit, voller Dankbarkeit, voller Stolz blickte er zu ihr hinüber. Kein anderes Mädchen, davon war er überzeugt, kaum ein Junge hätte ihm auf diesem Lauf zu folgen vermocht. Kein echter Waldläufer und Pfadfinder hätte einen sichereren, idealeren Lagerplatz ausfindig machen können, als sie ihn ausfindig gemacht hatte ... Mit ihr, das wusste er, mit ihr hätte er können wie Robinson auf eine einsame Insel verschlagen werden, mit ihr hätte er sich können in den tiefsten Dschungel und ins höchste Gebirge wagen, mit ihr wäre er nirgendwo untergegangen, mit ihr wäre er überall durchgekommen, mit ihr hätte er überall und immer sein Ziel erreicht ...

Ja, sie hatte recht. Sie hatte auch dieses Mal recht. Er brauchte sich wirklich nicht zu genieren. Es war doch nichts dabei. Sie waren doch miteinander allein. Sie kannten sich doch.

Nein, es war nichts dabei, wenn sie jetzt ihre Sachen auszogen. Es war einfach notwendig, dass sie das taten. Es war eine Notwendigkeit, die sich aus ihrem gemeinsamen Erkundungsgang, auf ihrem Jagdzug ergeben hatte. Sie zogen sich aus, um sich nicht zu erkälten, um nicht krank zu werden. Sie hatten ein Missgeschick erlitten, hatten einen kleinen Jagdunfall gehabt, und nun überwanden sie dessen Folgen, um danach an den Bach zurückzukehren. Um weiter den Bach entlangzugehen, wie sie ihn bisher entlanggegangen waren. Um seltene Steine zu finden und vielleicht wirklich Gold oder Silbererz zu entdecken. Um auf die Pflanzen und Tiere zu achten. Um das Leben im Wasser zu beobachten und zu erforschen. Um eine Forelle zu fangen. Um ihren Leib zu untersuchen und zu studieren und hinter das Geheimnis ihres Instinkts, ihres Lebens zu kommen versuchen. Um den Bach bis zu seinem Ursprung zu verfolgen. Um bis zu seiner Quelle vorzudringen ...

Sie hatte recht. Er brauchte sich nicht zu genieren. Es war nichts dabei. Sie brauchten nur nicht darauf zu achten, dass sich ihrer beider Körper in gewisser Hinsicht unterschieden. Sie brauchten diese Unterschiede nur zu übersehen, brauchten nur nicht daran zu denken - und diese Unterschiede waren völlige Nebensache, spielten nicht die mindeste Rolle zwischen ihnen, waren gar nicht vorhanden. Was einzig eine Rolle spielte, worauf sie einzig zu achten brauchten, das war, dass sie in ihrem Inneren die besten Kameraden waren.

Er sah, sie hatte sich auch des Unterhemds und der Höschen entledigt. Und sie tat, sie bewegte sich, sie hantierte, als ob sich nicht das Geringste verändert hätte ...

 

Der Paradiesgarten. Roman von Karl Sewart: TextAuszug